Fräulein Julie

Drama, Norwegen/Großbritannien 2014, 130 min

Man kann nur erahnen, was den drei Protagonisten zuvor Halt gegeben hat in ihrem Leben, wenn binnen weniger Stunden allen alles verloren zu gehen droht; zuerst die Contenance, dann die Selbstachtung und womöglich zuletzt gar das Leben. Ort der Handlung ist ein irisches Adelshaus am Ende des 19. Jh., oder besser gesagt, zum größten Teil nur dessen Küche. Hier bekommt der schmucke Hausdiener John von der Köchin Kathleen sein Essen aufgetischt, umfasst dankbar ihre Taille, um sogleich von des Barons bestem Wein zu naschen. Es ist Mittsommernacht, der Herr des Hauses nächtigt auswärts und die einfachen Bediensteten tanzen draußen auf den Feldern. Diener und Köchin hätten also Zeit,… ganz für sich. Suchte nicht die Baronesse, Fraulein Julie, noch etwas Zerstreuung. John, der keinen Hehl macht aus seiner Bewunderung für die Baronesse, widerspricht wortgewandt ihrer Bitte auf einen Tanz. Ehrfurcht, Anstand und seine Verlobte wollen das so. Dem darauf folgenden Befehl wird er sich ebenfalls noch irgendwie entziehen, allein, es nützt nichts. Längst lodert des armen Mannes Etikette lichterloh, gleich den Sommernachtsfeuern, und wahrlich; Fräulein Julie beherrscht alle Tricks des adeligen Kindes. Geschwind verscheucht sie Johns Verlobte aus der Küche und beginnt mit gerafften Kleid die feinen Unterschiede zwischen Schmeichelei und Komplimenten zu erforschen. Die Nacht ist jung und hell, draußen tanzen die Trolle und drinnen ringt die Fallsucht mit der Zurückweisung, während die Gottesfurcht hinter der Türe lauscht. Ein zum Zerreißen aufgespanntes Dreieck. Es stammt aus der Feder von August Strindberg und inspirierte kraft seiner zeitlosen Dramatik die schwedische Theater- und Leinwandikone Liv Ullmann zu diesem packenden Kammerspiel. Binnen weniger Augenblicke verwandelt sich der unglücklich verliebte Colin Farrell in einen seelenlosen Stiefellecker, ebenso, wie aus der unerzogenen Jessica Chastain in nur einer Stunde eine willenlose Sklavin wird. Einzig Samantha Morton greift ruhig und gefasst nach dem Zünglein an der Waage.
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