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Der die Zeichen liest

Drama/Satire, Russland 2016, 118 min

Extremismus, Radikalisierung, Kreationismus - Themen, die uns ganz aktuell bewegen und schlaglichtartig zeigen, dass leider nichts wohl geordnet ist. Der Film verortet das deutsche Theaterstück „Märtyrer“ von Marius Mayenburgs über einen Jugendlichen, der ein scheinbar fest gefügtes System durch einfache Tricks attackiert, in einer russischen Stadt. Die grundsätzlichen Fragen und Themen bleiben, auch wenn sie eine etwas ungewöhnliche Färbung bekommen. Entstanden ist ein aufwühlender Film, der Fragen stellt und keine leichten Antworten geben will. Ein Film mit feinem Sarkasmus und kritischer Distanz zu seinen Helden.
Doch der Reihe nach. Benjamin ist Schüler an einer aufgeklärten Schule. Eines Tages stellt seine Mutter fest, dass er sich weigert, am Schwimmunterricht teilzunehmen. Dabei sind es nicht unkontrollierbare Erektionen o. ä. sondern der Anblick seiner im Bikini schwimmenden Mitschülerinnen verletzt seine frischen religiösen Gefühle. Denn Benjamin ist plötzlich konvertiert. Ab sofort bedient er sich einer anerkannten, unendlichen Ressource der Aggression: der Bibel, alttestamentarischen Zitaten. Benjamin wandelt auf einem Rebellionskurs, einem Kreuzzug gegen die Moderne, gegen Sexualunterricht, Evolutionstheorie und eine verlogene Kirche. Die Mutter ist überfordert, die Lehrer irritiert. Seine Biologielehrerin wird zur glühenden Kämpferin der Aufklärung, die Direktorin will alles unter den Teppich kehren und kommt ihm entgegen. Die Mädchen müssen ab sofort in Badeanzügen schwimmen und das Kondom wird aus dem Biologie-Unterricht verbannt. Aber ein wahrer Jünger Jesu lässt seine Feinde nicht ungeschoren davon kommen.
Der Zuschauer wird erschrecken über die Bibelzitate, ihre Radikalität und Grausamkeit. Klar, dass mit Zitaten, egal aus welchem Buch, jeder sich seine Welt zurecht legen kann. Doch wie weit darf das gehen?
Ist nicht sogar die radikale Religion ein gar zu enger Verwandter liberaler Erziehung? Warum fragt keine der betroffenen Personen Benjamin, was ihn wirklich bewegt? Fragen über Fragen.
Ironie am Rande. Der Film wurde in Kaliningrad gedreht, Geburtsort von Immanuel Kant und heute russische Enklave in Europa.
ak