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So viel Zeit

Drama/Tragikomödie, Deutschland 2018, 101 min

Ja so viel Zeit ist vergangen, seit ich einst Anfang der 80er mit Jan-Josef Liefers auf der Bühne des Staatstheaters Dresden stand und mit schweren Blödeleien die Belegschaft nervte. Nein, Liefers war noch kein Schauspieler und ich noch nicht das, was ich heute bin. Wir waren schlicht und ergreifend Tischlerlehrlinge, Spezialrichtung Dekorationsbau. Heißt, musste nicht sooo genau sein, aber ganz hübsch aus 10 Meter Entfernung anzusehen sein. Wobei meine Abschlussarbeit, eine Bank und ein Hocker für die Oper „Zar und Zimmermann“ es bis in die Semperoper schaffte. Was der Jan-Josef damals zusammengefeudelt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Was danach kam, wissen wir, und leider fand ich ihn als Darsteller nie wirklich überzeugend, außer, und dafür liebe ich ihn, in der Rolle des Prof. Boerne. Aber kaum hat sich Til Schweiger mit seinem postpubertären Nicht-Lustig-Film »Klassentreffen 1.0« unter die Gürtellinie gekalauert, kommt auch schon der nächste Altherrenwitzfilm um die Ecke. »So viel Zeit« von Philipp Kadelbach, nach dem gleichnamigen Roman von Frank Goosen. Zunächst hatte ich angenommen, der Jan-Josef hat sich diese Story ersonnen, um sich mal wieder in der Rolle des Rockmusikers zu räkeln, der er doch so oft sein möchte. Aber dieses Problem hatte vor ihm schon eine ganze Riege anderer Schauspieler, die meinten, ihr Publikum mit dieser Attitüde bereichern zu müssen. Mein Dank geht an dieser Stelle an Til Schweiger, der sich bisher noch nicht dazu hinreißen ließ. Aber worum geht’s? Rainer (der Jan-Josef) hat sein Leben ordentlich verbockt und nichts ist aus dem geworden, was er sich einst erträumte. Sein Job ist ennuyant, seine Frau hat ihn abgewählt, sein Sohn hätte sich auch nen cooleren Papa gewünscht und dann gibt es noch diese Sache mit der Band. Ja, Rainer hatte vor 30 Jahren mal ne Band mit dem unfassbaren Namen, halten Sie sich fest: „Bochums Steine“. Ich meine, wer denkt sich solch einen unrhythmischen und unsexiest Bandnamen ever aus? Egal, Rainer hat damals den megawichtigen Durchbruchsgig versaut und die Show komplett gegen die Wand gefahren. Seine Bandkollegen Bulle (Armin Rohde), Konni (Matthias Bundschuh), Thomas (Richy Müller) und Ole (Jürgen Vogel) haben ihm das nie verziehen, was ihn bis heute verfolgt. Doch plötzlich hat Rainer noch mehr Kacke an der Backe, als seine Ärztin ihm eröffnet, dass er an einem inoperablen Hirntumor leidet und bald Feierabend ist. »Knockin’ on Heaven’s Door« ick hör dir trampeln. Rainer beschließt, die wenige Zeit, die ihm noch bleibt, zu nutzen, um sein Leben noch einmal aufs Gleis zu lenken und vor allem noch mal die Band zusammenzubringen. Als ob das nicht bereits filmisch und inhaltlich genug wäre, will Rainer aber auch noch im Rockpalast als Vorband für Deutschlands peinlichstem Exportschlager den „Scorpions“ spielen. Wären es wenigstens die Puhdys gewesen, hätte alles noch gut werden können, aber so ist das alles aufgesetzt megapeinlich und grenzt zuweilen auch schon an Fremdscham. Wie das ganze endet, bedarf keiner weiteren Erörterung, und eigentlich möchte ich auch nicht Jan-Josef Liefers gefühlte 26 mal im Jahr, in welcher Rolle auch immer (außer Boerne), sehen müssen und schon gar nicht als Rockmusiker. Irgendwie habe ich den Eindruck, als sei der Jan-Josef so was wie die Angela Merkel der deutschen Filmwirtschaft geworden…

Ray van Zeschau (Rockstar)

Ray van Zeschau