Hitlerkantate

Drama, Deutschland 2005, 114 min

Der letzte Regisseur, dem man einen solchen Film ohne weiteres zugetraut hätte, hieß Fassbinder und ist seit vielen Jahren tot. Und doch scheint es, als hätte das deutsche Kino seither nicht aufgehört, das Bett zu bereiten für ein bislang vernachlässigtes Kapitel nationalsozialistischer Perversion.
Die junge Musikschülerin Ursula Scheuner gehört zu den Millionen deutscher Frauen, die dem Führer Adolf Hitler in unbedingter Gläubigkeit anhängen. Unter nahezu vollständigem Wirklichkeitsverlust offenbarten sie ihre unterbundenen oder ersehnten sexuellen Ekstasen in einer „totalen Hingabe“. Dieses Phänomen war nicht zufällig entstanden, sondern galt als das sorgfältig kalkulierte Pendant zur Vereinnahmung der deutschen Männer, denen man den totalen Krieg versprochen hatte. Auch Ursula erliegt Hitlers erotischem Heilsversprechen, „wenn ich die Frauen gewinnen will, dann muss ich ihnen ein Liebesobjekt bieten“, und verwendet ihre ganze Lebensenergie darauf, dem Führer zu dessen 50. Geburtstag eine Kantate zu widmen. Gemeinsam mit dem Komponisten Hans Broch fährt sie in dessen finnisches Landhaus, wo ihr der ehemalige Kommunist und heimliche Antifaschist Broch etliche ihrer Lebensdreiklänge gehörig zurechtrückt. Über den Grundtönen von Moral, Musik und Ideologie entfaltet sich ein vorsichtiger Melodiebogen, der für die junge Ursula zu ein paar handfesten Zweifeln führen wird. Als ihr Verlobter Gottlieb, der mittlerweile von der Reichsmusikkammer zur SS gewechselt ist, sowie Brochs jüdische Freundin in Finnland auftauchen, tritt die Komposition einer Geburtstagskantate mehr und mehr in den Hintergrund.
Jutta Brückners verstörender Film über die erotische Seite der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wird von Peter Gotthardts Filmmusik auf akustischer Ebene hervorragend untermalt, erotische Schlager aus der Weimarer Zeit werden von Marschmusik zerdrückt, polnische Volkslieder werden zum idelogischen Prüfstein und Schuberts Winterreise zur zentralen Anklage.

Buch: Jutta Brückner

Regie: Jutta Brückner

Darsteller: Lena Lauzemis, Hilmar Thate, Rike Schmid, Arnd Klawitter, Krista Stadler, Andreas Guenther

Kamera: Thomas Mauch

Musik: Ernest Broch

Produktion: Saxonia Media, A Jour, KoppMedia, WDR, MDR, arte, Michael André, Wolfgang Voigt

Bundesstart: 18.05.2006

Start in Dresden: 08.06.2006