Kira

Drama, Dänemark 2001, 94 min

Die große Feier, die Ehemann Mads für seine Frau Kira veranstaltet, scheint verfrüht. Mehrere Monate war die junge Frau in psychiatrischer Behandlung, nun gilt sie als weitgehend geheilt und darf wieder zu ihrem Mann und den zwei Kindern zurückkehren. Doch kleine Anzeichen verraten, dass Kira noch weit von einer Genesung entfernt ist. Die Begrüßung der Kinder wirkt seltsam verhalten, ihre barsche Reaktion auf das Kindermädchen, das ihr Mann eingestellt hat, völlig überzogen. Aber auch Mads merkt man die übergroße Nervosität an, mit der er seiner Frau begegnet. Dies liegt nicht nur daran, dass er kurz vor Kiras Entlassung seine Affäre mit ihrer Schwester beendet hatte. Mads glaubt selber noch nicht daran, dass seine Frau so schnell die Rückkehr in die Normalität schafft. Eine allmähliche Annäherung an das Leben von vorher akzeptiert Kira aber nicht, sie will sofort wieder eine gute Ehefrau und Mutter sein und überfordert damit sich und ihre Familie.
Für Mads, der seine Frau sichtbar liebt, wird die Situation zunehmend schwieriger. Der überforderte Mann reagiert mal nachsichtig, mal genervt oder gar barsch auf die Ausfälle seiner Frau. Als er die völlig verstörte Kira nach einer durchzechten Nacht aus dem Bett eines Fremden holt, wird ihm klar, wie steinig der Weg werden wird. Kira beschwört ihren Mann, sie zu verlassen oder ihr eine Aufgabe und damit ihrem Leben einen Sinn zu geben. Mads willigt ein und überträgt ihr die Organisation eines Essens für Geschäftspartner seiner Baufirma. Für beide wird es ein Abend dramatischer Entscheidungen.
Der große Erfolg der skandinavischen Dogma-Filme beruht wohl weniger auf den filmischen Experimenten, sondern auf den großartigen Geschichten, die unsere Nachbarn aus dem Norden zu erzählen haben. Bei der bewegenden Liebesgeschichte von Ole Christian Madsen verhält es sich kaum anders. Zwar wird auch hier mit DV-Handkamera gedreht, aber Kameramann Jorgen Johannsson vermeidet die sonst so prägenden Wackler. Selbst die Bilder wirken weniger grobkörnig, als wolle man den intensiven Fluss der Handlung nicht stören. Das konzentrierte Zusammenspiel der beiden Hauptdarsteller hat es in der Tat in sich. Atemlos kämpfen die beiden Liebenden um einen letzten Funken Hoffnung in einer scheinbar aussichtslosen Situation. Das fragile Beziehungsfundament und die Ungewissheit über Kiras nächste Reaktion sorgen beim Betrachter für eine permanente „An“-Spannung. Dabei hält der Film mit Gründen für Kiras Zustand lange zurück. Erst gegen Ende zeichnen sich die Umstände einer Tragödie ab, an dessen Auswirkungen auch Mads nicht ganz unschuldig ist.
»Kira« ist alles andere als leichte Kost, aber seit Thomas Vinterbergs »Das Fest« war kein Dogma-Film mehr so direkt und dicht wie dieses kompakte Kammerspiel.
Norbert Raffelsiefen