Sein Bruder

Drama, Frankreich 2002, 88 min

Patrice Chéreau ist ein Radikaler. Und er ist ein großer Erzähler von Geschichten, die sich so oder ähnlich hier oder dort und immer wieder zutragen können. Der Zuschauer hat im ureigenen Sinne mit ihnen zu tun, das erleichtert das Sehen. Oder erschwert es - je nach Sicht.
Der heftigen, immer schmerzhafter werdenden Beziehung eines Mannes zu einer verheirateten Frau in »Intimacy« jedenfalls war aufgrund ihrer harten Wahrheit nicht einfach zu folgen. Und auch »Son Frère - Sein Brunder« ist riskanter Stoff.
Waren es dort noch einander begehrende Körper, so dominiert hier die Vergänglichkeit derselben.
Thomas stirbt, und er stirbt langsam. Aus dem schon verlorenen geglaubten Kontakt zu seinem jüngeren Bruder Luc wird sein einzig fester. Alles um ihn herum ist eher vage: Beziehungen, Familie, sein Wille, sein Hoffen. Nur sein Blut, das macht, was es will. Thomas kennt keine Rücksichten mehr, etwas, das ihn mit dem Regisseur, der seine Figur inszenierte, eint.
Zwischen Krankenhaus und Schläuchen, Bretagne und Sand, im Bett liegen und Spazierengehen, Sprechen und Fühlen, ist »Sein Brunder«, trotz aller Schonungslosigkeit, ein eher leises, zärtliches Werk. Und von Bruno Todeschini und Eric Caravaca behutsam gespielt.
Andreas Körner