Babycall

Thriller, Norwegen/Deutschland/Schweden 2011, 96 min

Anna (Noomi Rapace) ist ständig von Angst umgeben. Nachdem ihr Ehemann gewalttätig wurde, entschließt sie sich, mit ihrem achtjährigen Sohn Anders (Vetle Qvenild Werring), unter Aufsicht des Jugendamtes, in eine neue Wohnung zu ziehen. Die Anonymität einer fremden Vorstadtsiedlung bildet den perfekten Ort für einen Neuanfang. Sofort verschließt sie alle Vorhänge und lässt auch ihren Sohn nicht in seinem eigenen Zimmer schlafen. Sie will ihn noch nicht einmal zur Schule lassen, weil sie befürchtet, ihr Ex-Mann könnte erneut einen Angriff auf seinen Sohn planen. Schwebt Anders tatsächlich in Gefahr, oder übertreibt Anna es mit ihrer Fürsorge?
Geschickt spielt Regisseur Pål Sletaune in seinem Thriller »Babycall« mit verschiedenen Wahrnehmungsebenen. Zu Beginn des Films sieht der Zuschauer Annas Perspektive, wodurch sie als Opfer dargestellt wird. Doch nach und nach schleichen sich Zweifel ein. Nachdem Anna ihren Sohn aufgrund der Forderungen des Jugendamtes zur Schule gehen lässt, bleibt sie auf dem Gelände und kann das Gebäude kaum aus den Augen lassen. Ihr Verhalten wirkt übertrieben, doch Anna scheint gleichzeitig auch so verletzlich und verzweifelt bemüht, ein halbwegs normales Leben zu führen. Sie kauft sogar ein Babyfon, damit Anders in seinem eigenen Zimmer schlafen kann. Doch mit dem Babyfon kommt neues Grauen in ihr Leben. Eines Nachts hört sie Schreie durch das Fon, die nicht von Anders stammen. Die Signale müssen irgendwo aus der Nachbarschaft her stammen und Anna versucht verzweifelt herauszubekommen woher, damit sie das Kind vor einer Misshandlung retten kann. Zeitgleich wächst jedoch auch ihr Misstrauen sich selbst gegenüber. Ist sie wirklich Zeugin einer Misshandlung - oder verliert sie den Verstand?
Die Zweifel Anna gegenüber verstärken sich, als eine weitere ambivalente Person eingeführt wird: Helge (Kristoffer Joner), der Verkäufer des Babyfons. Zuerst erscheint er als Annas einziger Verbündeter, da er ihre Fürsorge gegenüber Anders nachvollziehen kann. Doch immerhin war er es, der Anna das Babyfon verkauft hat. Durch die Einführung dieses unklaren Verhältnisses wird eine weitere Wahrnehmungsfolie über Annas Verhalten gelegt. Denn durch Helges Beobachtungen wird klar, dass Anna eine unzuverlässige Protagonistin ist, deren Einschätzungen und Wahrnehmungen nicht vertraut werden kann.
Ein Großteil der Spannung in »Babycall« entsteht durch die unverlässliche Hauptfigur, die von Noomi Rapace wirklich überzeugend gespielt wird. Pål Sletaune ist ein atmosphärisch ungewöhnlich dichter, beklemmender Thriller gelungen, der ohne große Aufregung eine ebenso gewalttätige wie todtraurige Geschichte erzählt.
Anne