Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben

Drama/Komödie, Großbritannien 1963, 95 min

Fünf Jahre ist es jetzt her, dass sich für Stanley Kubrick der Vorhang für immer geschlossen hat. Für sein Publikum aber geht es nun in eine neue Diskussionsrunde über seine Filme. 3 Sat brachte in den letzten Tagen die besten seiner Filme noch einmal auf die Mattscheibe. Das ist schon eine ungewöhnliche, aber durchaus auch angemessene Ehrung für den großartigen Regisseur. Das Thalia, auf der Görlitzer Straße, schließt sich dem jetzt an und bringt mit »Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben« die ungewöhnlichste Satire über den kalten Krieg, ein Meisterwerk, wieder in das Kino. Die Erstaufführung des Films fand im Jahre 1963 statt und sofort wurde die Frage gestellt, ob man die atomare Abschreckung, jenes idiotische Gleichgewicht des Schreckens, in einer Klamotte derartig bitterböse, sarkastisch und mit so abgrundtief schwarzem Humor behandeln dürfe. Nun, Kubrick hat sich da nicht hineinreden lassen und so nicht nur einen Klassiker, sondern auch ein Denkmal geschaffen.
Der ganze Schlamassel geht damit los, dass ein völlig durchgeknallter General namens Jack D. Ripper eine paranoide Angst um seine wertvollsten Körpersäfte entwickelt und die Russen dafür verantwortlich macht, dass bei ihm etwas nicht mehr stimmt. Also setzt er die Bomberflotte, die er befehligt, eigenmächtig in Bewegung und befiehlt damit gleichzeitig den 3. Weltkrieg. Dann segnet er das Zeitliche. Dumm eigentlich nur, dass er auch der Einzige war, der den Rückrufcode für seine Bomber kannte, und so bleibt den Amis nichts anderes übrig, als den Russen die Geheimnisse ihrer Luftstreitkräfte haarklein über den „Heißen Draht“ zu verklickern. Dabei stellt sich der amerikanische Präsident als total überfordert heraus und sein russischer Widerpart scheint vollständig besoffen zu sein. Fatal. Dennoch können die Roten auch alle Bomber abschießen, alle - bis auf einen, und in dem klemmt auch noch der Bombenschacht. So könnte eigentlich alles gerade noch einmal gut ausgehen, aber diesen Bomber befehligt ein texanischer Supercowboy voller zutiefst amerikanischer Inbrunst, und der reitet schließlich mit der Bombe die Welt in den Tod. Kubrick hat dem für diese Rolle engagierten Western-Darsteller Slim Pickens nicht gesagt, dass sie eine Komödie drehen, und somit sind dessen patriotische Ansprachen an seine Besatzung ernst gemeint gewesen. Ein wunderbarer Trick, den der perfektionistische Regisseur hier angewendet hat. Ein weiterer Kunstgriff war es, den britischen Ausnahmekomiker Peter Sellers gleich in drei Rollen zu besetzen. Der Mann spielt den britischen Austauschoffizier Captain Mandrake und den amerikanischen Präsidenten Merkin Muffley. Außerdem spielt er noch den Titelgeber der ganzen Weltuntergangsposse, einen deutschen Emigranten, der mit Erlangung der amerikanischen Staatsbürgerschaft seinen eigentlichen Familiennamen „Merkwürdigliebe“ in „Seltsam“ übersetzte, und dessen unkontrollierbarer rechter Arm ein wirklich schon fatales Eigenleben und mit dieser überdeutlichen Naziparodie auch einen direkten Vergleich zum damaligen Amerika pflegt.
Peter Sellers wurde für diese Rolle gleich dreimal für den Oscar nominiert. Außerdem wurde der Film noch in den Kategorien Bester Film, Beste Regie, und Bestes Drehbuch nominiert. Gewonnen hat er die begehrte Trophäe jedoch nicht. Auch nach dem Ende des Kalten Krieges ist »Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben« unbedingt sehenswert. Man sollte nur aufpassen, dass man sich nicht totlacht.