27. November 2013

Hat Polanski lediglich seine Frau mit einem anderen Mann gefilmt?

Pro und Contra »Venus im Pelz«
Hat Polanski lediglich seine Frau mit einem anderen Mann gefilmt?
Streng genommen hat Roman Polanski für seinen neuen Film »Venus im Pelz« lediglich seine Frau beim Gespräch mit einem anderen Mann gefilmt. In Cannes wurde er dafür für die Palme d’Or nominiert. In der Redaktion des Kinokalender Dresden hingegen herrschen, wiedermal Differenzen.

Pro:
Seit mehreren Wochen philosophiert sich die Klatschpresse um Kopf und Kragen bezüglich der Frage, wer die geeigneten Darsteller für eine Verfilmung der Romanreihe »(Fifty) Shades of Grey« seien. Roman Polanski, Regisseur von »Venus im Pelz«, ist da effektiver: Lediglich ein Jahr liegt zwischen seiner ersten Begegnung mit dem Stoff, dem gleichnamigen Bühnenstück von David Ives und der Premiere des Films. SM spielt auch hier eine nicht unbedeutende Rolle, schließlich basiert das Werk auf einer Novelle aus dem Jahr 1870 von Leopold von Sacher-Masoch, dem wir den Begriff Sadomasochismus überhaupt erst zu verdanken haben. Irgendwie bezeichnend: Hollywood rätselt monatelang über eine „angemessene Umsetzung“ einer hausbackenen Autorinnen-Fantasie, in Europa hingegen wagt sich ein 80-jähriger(!) lieber gleich ans Original und präsentiert mit »Venus im Pelz« ein hocherotisches, sarkastisches und selbstironisches Zwei-Personen-Stück, das seine beiden Figuren auf rein verbaler Ebene nackig macht.

Der Pariser Theaterregisseur Thomas (Mathieu Amalric) ist verzweifelt auf der Suche nach einer Schauspielerin für sein neues Stück »Venus im Pelz«. Bisher konnte keine der unzähligen Bewerberinnen seinen Anforderungen gerecht werden. Da steht plötzlich Vanda (Emmanuelle Seigner) im Saal und besteht darauf, von Thomas angehört zu werden. Nur widerwillig lässt er sich überreden, zumal die Dame schon mit ihrem ganzen Auftreten wenig Zuversicht in Thomas weckt. Allerdings wird er schnell eines Besseren belehrt, als Vanda die erste Szene vorspielt. Verwirrt und neugierig probt Thomas mit ihr weiter, bis die Grenzen zwischen Aktrice und Regisseur, Bühnenstück und Realität nicht mehr erkennbar sind.

Schon in »Der Ghostwriter« und »Der Gott des Gemetzels« bewies Polanski eindrucksvoll, welche Macht das geschriebene/gesprochene Wort haben kann. Auch »Venus im Pelz«, ebenso wie der Vorgänger auf einen Handlungsort beschränkt, verlässt sich beinahe ganz auf die Wortgefechte von Amalric/Seigner. Zwar variiert Polanski den Bühnenhintergrund, die Beleuchtung und das Erscheinungsbild der Akteure. Allerdings derart subtil, dass es nie vom Hauptkriegsschauplatz ablenkt. Dort argumentieren Thomas und Vanda derweil nicht nur über die Darstellung ihrer Figuren, sondern ebenso über Geschlechterrollen, sexuelle Vorlieben, die Macht der Verführung und die Frage, wer letztendlich die Hosen anhat und den/die andere/n in der Hand: Mann oder Frau?

Dass dieser beengte Kampf nicht langweilt, ist natürlich ein großer Verdienst der beiden Hauptdarsteller. Thomas’ wachsende Begeisterung für die undurchschaubare Vanda spielt Amalric präzise und herrlich überfordert, Seigner hingegen weiß ihrem hübschen Erscheinungsbild Intelligenz hinzuzufügen, die sie für männliche Zuschauer wahrscheinlich nur noch attraktiver macht. Schon hier spielt Polanski wunderbar mit den Erwartungen seines Publikums, wenn er die Machtverhältnisse zwischen seinen Protagonisten ständig verschiebt.

Nebenbei ließe sich noch trefflich darüber streiten, wie viel Polanski in Thomas steckt: Nicht zufällig gleicht das Äußere von Amalric sehr dem jungen Roman P., zudem ist Seigner seit 1989 mit dem Oscar-Preisträger verheiratet. Zwar bestreiten beide, die SM-Welt ansprechend zu finden. Das Vorsprechen, so es denn für Seigner überhaupt nötig war, dürfte trotzdem interessant gewesen sein. Bevor nun jedoch Phantasien angestoßen werden, empfiehlt es sich, ein Ticket für »Venus im Pelz« zu lösen. Passender Weise mit der Partnerin an der Seite, unbedingt jedoch mit genügend Selbstvertrauen im Gepäck, um auch nach diesen enthüllenden und erhellenden 96 Filmminuten nicht den Glauben daran zu verlieren, dass Mann der Frau Paroli bieten kann. Selbst wenn es wohl für immer eine Illusion bleiben wird.
Csaba Lázár

Contra:
"Aber der Herr, der allmächtige Gott, hat ihn gestraft, und hat ihn in eines Weibes Hände gegeben." Stimmt und stimmt auch wieder nicht. Dazu ein Kaktus-Phallus, ein selbstverliebter Autor und jede Menge Theaterdonner. Feministen können das als reaktionär einstufen. Polanski macht daraus aber eine recht weibliche Abrechnung mit männlicher Überspanntheit und eine sehr uneitle Auseinandersetzung mit seinem eigenen Schaffen, inklusive Regiearbeit und Anspruch. Er beweist mit dieser Komödie seine Meisterschaft und eine gehörige Portion Altersweisheit.

Sozusagen hat jede Medaille zwei Seiten und da sind wir schon mitten im Film, nein Theaterstück. Wenn Roman Polanskis nach seinem hochgelobten und auch besuchertechnisch gut gelaufenen Bühenadaption »Der Gott des Gemetzels« gleich ein weiteres erfolgreiches Broadwaystück verfilmt, kann einiges dafür sprechen. Neben unzweifelhaft kommerziellen Erwägungen können durchaus die Begeisterung für den Text und persönliche Bezugspunkte für das Projekt den Ausschlag gegeben haben.

Das Wagnis - ein solches bleibt die Verfilmung mit zwei Schauspielern auf engem Raum - hat sich ausgezahlt, die Presse ist begeistert und auch die Zuschauer mögen die Komödie. Denn um eine solche handelt es sich zweifellos, eine, die lustvoll mit jeder Menge Klischees und Mehrdeutigkeiten spielt. Die vor allem auch stark selbstreferenziell das Schaffen des Paares Polanski/Seigner reflektiert.
Da sind wir aber schon bei den kritischen Punkten.

Das Spiel mit ironisch-sarkastischen Aussagen, darunter etwa die, dass die Beziehung zwischen Regisseur und Schauspieler etwas Sado-Masochistisches hat, sorgt zwar für effektive Lacher, ist aber etwas hausbacken.

Natürlich kann das Ergebnis auch als langatmig, trocken und kaum verständlich interpretiert werden. Dafür spricht, dass einige männliche Kritiker den Film als banales Drama zerreißen. Das könnte dem Umstand geschuldet sein, dass entweder die Synchronisation die Komplexität des französischen bzw. englischen Originals nicht zu transferieren vermag oder aber, Polanski sich doch etwas verlaufen hat. So mag die unmerkliche Wandlung von Vanda, der anfänglich ungeschminkten und wenig attraktiven Kleindarstellerin zur der, mit Donner das Theater beendenden Göttin, die den vorwitzigen Thomas straft, nicht zwingend erscheinen oder den Zuschauer etwas ratlos entlassen.

Auch wirkt der abschließende, an antike Theatertänze angelehnte Auftritt Vandas nicht direkt als großes Kino, bekommt statt dessen eine leicht trashige Note. Hinzu kommt, dass unaufmerksame Zuschauer Mühe haben, der Handlung und den vielen Bezügen und Ebenen zu folgen.

Das kann der Inszenierung angelastet werden, andererseits erfordert intelligentes Kino aber auch einen wachen und an etwas Experiment interessierten Zuschauer. Der sollte bei dieser sehr filmischen und ironisch-bissigen Bühnenverfilmung auf seine Kosten kommen. Einer Verfilmung die ständig zwischen verschiedenen Ebenen, Abhängigkeiten, Pathos und Sarkasmus wechselt. Oft auch nur falsche Fährten legt. Das gilt eben auch für das eingangs stehende Bibelzitat aus dem Alten Testament.
Mersaw

http://www.venusimpelz-derfilm.de