2. März 2010

Avatar

Wo so viel Licht ist, sollte auch mindestens etwas Schatten sein.
Avatar
Pro:
Alle Welt redet von »Avatar« und berauscht sich regelrecht an den neuen 3-D Effekten und der gigantisch anmutenden Erfolgsgeschichte.
Täglich werden es mehr Einnahmen, mittlerweile sind bereits mehr als 1,7 Milliarden Dollar eingespielt, die Branche und die Zuschauer sind in Trance, 3-D ist das neue große Ding. Der Griff nach dem Thron des weltweit erfolgreichsten Films scheint gelungen.

Einzigartig scheint auch die Begeisterung der Kritik und der Zuschauer, Lobeshymnen und Begeisterung überwiegen. Selbst Schnitt schreibt: "Cameron ist, wie er mit dem Regieoscar in der Hand augenzwinkernd bemerkte, der »König der Welt«, denn seine Filme exhalieren Hollywood im klassischen Verständnis als Traumfabrik, sie bewegen und begeistern, verblüffen und setzen Maßstäbe, kurz: Man kommt nicht an ihnen vorbei."
James Cameron hat ohne Zweifel fast alles richtig gemacht, einen Aufsehen erregenden und fantastischen Film abgeliefert. Mehr muss man an der Stelle nicht sagen.

Wo so viel Licht ist, sollte auch mindestens etwas Schatten sein. Und der soll an dieser Stelle mal ausführlicher gesucht werden.

Kontra:
Neulich noch einmal den zweiten Terminator geschaut. Hat auch nach fast 20 Jahren nichts von seiner Qualität eingebüßt. Im Gegenteil: Entpuppt sich auf großem Fernsehgerät logischerweise als noch reizvoller, gigantischer und detailverliebter als damals im Januar 1992, als ich den Film das erste Mal auf Video schauen durfte. Liegt aber vor allem an der perfekten Symbiose von cleverer Erzählstruktur, erstaunlicher Kameraarbeit, mitreißendem Soundtrack und sinnvoll (!) eingefügten, für damalige Kinozeiten wegweisenden Effekten. Wie gern würde ich selbiges auch über Avatar, den aktuellen James-Cameron-Film schreiben. Machen andere jedoch schon im Übermaß, weshalb an dieser Stelle die sprachlich einwandfrei und direkt formulierte Frage gestattet sein muss: Hä? Haben wir tatsächlich denselben Film gesehen? Oder hat mich die nette Kartenverkäuferin etwa behumst?

Liebe Freunde der Filmkunst, es mag ein berauschendes Effektgewitter sein, welches da in 166 Minuten auf den Zuschauer eindrischt, doch „revolutionär“, „einzigartig“ oder – ganz schlimm – „neu“ ist da nichts! Und erzähle mir bitte niemand etwas über absolut glaubwürdige computergenerierte Figuren, die dank spezieller Technik zunächst mit echten Darstellern gefilmt und anschließend im Pixelland verfremdet wurden, ohne dabei deren menschliche Mimik zu zerstören. Gollum, ich hör Dir trapsen! Nicht nur, weil dein Geburtshaus, ebenso wie das von Affenkollege Kong und der blauhäutigen Na´vi aus Avatar, in Neuseeland steht, bei der Firma Weta Digital. Ach ja, und was ist eigentlich mit A Scanner Darkly (2006) von Richard Linklater? In deutschen Landen aufgrund fehlenden Medienhypes leider nur auf DVD erschienen, wurde dort bei Keanu Reeves, Robert Downey, Jr. und Winona Ryder ein ähnliches Konzept angewandt, allerdings mit Einbettung in einen philosophisch angehauchten Spionagethriller in Trickfilmform. DAS, liebe Avatarfans, war auch ohne 3-D bahnbrechend! Offensichtlich soll das Verfahren hier das Begreifen und Erfassen dieser fremden Welt katalysieren, doch ohne inhaltlichen Unterbau bleibt es auf Dauer blendende Spielerei.

Denn natürlich will Avatar mehr sein als bloßes Rauschkino, will warnen vor Ausbeutung natürlicher Ressourcen, Raubbau, Profitgier, dem Verlust von Gewissen und Menschlichkeit in einer von wirtschaftlichen Interessen bestimmten Zeit. Dieses Ansinnen ist löblich, geht in der zwar schönen, aber völlig den zeitlichen und erzählerischen Rahmen sprengenden Darstellung des Planeten Pandora jedoch völlig unter. Weniger ist manchmal eben doch mehr. Nahezu ohne Effekte, weniger lärmend und glaubhafter, weil real, hat Terrence Malick eine ähnliche Geschichte in The New World (2005) erzählt. Inhaltlich hält sich die Innovation somit ebenso in Grenzen.

Okay, klauen ist im Filmbusiness nicht erst seit Tarantino erlaubt. Also widmen wir uns schlussendlich noch dem Hörbaren in Avatar und stellen fest: 4,4 Lichtjahre von der Erde entfernt leben Wesen, die nach Erlernen der Menschensprache lediglich „hollywoodisch“ plappern. Bedeutungsschwanger, übertrieben emotional, lächerlich. Oder anders formuliert: der „genialen“ Optik in keiner Weise gerechtfertigt. Final gibt es dann mit „I see you“ von Leona Lewis noch die obligatorische Oktavenkletterei im Abspann, Komponist James Horner sei es wie schon bei Titanic gedankt. Ja, nee „revolutionär“, is´ klar!
Csaba Lázár