30. August 2022

Wenn sich Kritiker erlauben, zu kritisieren

Baz Luhrmanns Elvis ist ein Kinofilm im klassischen Sinne! Kolumne und Kritik
Wenn sich Kritiker erlauben, zu kritisieren

Dieses Internet ist schon ein zwiespältiges Ding – eine Welt voller Informationen, Unfug und Klugscheißerei! Das Potential, das Letztgenannte ausgiebig zu zelebrieren, bieten in der Kinowelt natürlich ganz besonders Biographien. Denn hier misst sich das cineastische Werk nicht nur am bloßen Besuchergeschmack, sondern auch am Original! Und wer ein echter Elvis Fan ist, also so richtiges Vollblut...und vielleicht sogar Gitarre spielen kann, der muss natürlich bei Baz Luhrmanns Film Gift und Galle spucken, denn der Typ auf der Leinwand sieht nicht 100% aus wie Elvis, er singt nicht 100% wie Elvis und ja, es IST auch nicht Elvis!

Beinahe wähnt man sich im Reich der Söhne Mohammeds, wo es verboten ist, den Allerheiligsten abzubilden. „Du sollst kein Bild des King of Rock‘n‘Roll machen (es sei denn ich, der super duper Oberfanguru habe es abgesegnet)!“ Doch Baz Luhrmann hat, ganz offensichtlich, auf diese Fankultur keine Rücksicht nehmen wollen. Warum auch? Schon 1979 gab es eine Biographie mit Kurt Russel und Schmalzlocke und 2005 eine mit Jonathan Rhys Meyers (wohl am besten bekannt als Heinrich VIII. von England in der Fernsehserie »Die Tudors«). Mehr oder weniger genau gaben sie die bekannten Lebenswege des Rockidols wieder, aber Luhrmann tat gut daran, keinen weiteren Aufguss des ewig Gleichen anzubieten.

So ist es nicht nur die Konzentration auf Colonel Tom Parker (Tom Hanks) und sein Verhältnis zum King, sondern die Besonderheit der Inszenierung, die Opulenz und das Drama! Darin kennt er sich aus, sowohl als Person selbst (denn er ist ein eitler Pfau!) als auch in seinen bisherigen Werken: »William Shakespeares Romeo & Julia«, »Moulin Rouge« und 2013 »Der große Gatsby«. Musik, Tanz, Bewegung und mitreisende Bilder mit langen Kamerafahrten, sind sein Markenzeichen und all das, in strahlenden Farben, präsentiert er auf der Leinwand. 

Für Austin Butler ist es die erste wirklich große Rolle im Kino und ja, in Natura sieht er wirklich nicht aus wie Elvis, so ganz und gar nicht! Doch er hat diese blauen Augen, ein verschmitztes Lächeln und einen beeindruckenden Hüftschwung, der es, wenn man sich darauf einlässt, sehr leicht macht, den jungen Mann aus Mississippi wiederzuerkennen, der die Bühne suchte und liebte und gleichsam den gefeierten Mr. Presley, der sich selbst zerstörte und zur Karikatur seiner selbst wurde. Es war dann auch klug, ihm erst ganz zum Abschluss, den Fat Suit anzulegen. Viel zu leicht hätte es albern gewirkt.  

Anstatt den simplen Werdegang abzufilmen, wie es bei »Bohemian Rhapsody« der Fall war, erzählt Luhrmann eine Geschichte. Da ist der strahlende Held, der Junge, der seine Mutter liebte und der Dämon, der schmierige, gierige Manager. Da ist Kampf, da ist Verlust und selbst wenn man weiß, das es nicht im Happy End  mündet, will man es doch bis zum Schluss miterleben. Wer am Ende nicht wenigstens  ein bisschen echte Verachtung gegenüber Colonel Parker verspürt und mit Genugtuung im Abspann liest, dass er einsam und verlassen durch die Casinos schlich, bis er starb, hat ein Herz aus Stein! 

Auch wenn diese Schauergeschichte nicht ganz der Wahrheit entspricht, da Parker nach dem Tod von Elvis durchaus noch arbeitete und eine Frau an seiner Seite hatte. Und doch ist seine Interpretation nicht so frei und Musical ähnlich wie »Rocketman« von 2019, über Elton Johns Karriere.  Es ist eben ein eigenes Werk, ein Kinofilm im klassischen Sinne: Gefühle, starke Bilder und gute Darsteller! Und endlich mal wieder ein Werk, dass nicht von der Last der Pandemie erdrückt wurde.  

Pinselbube (Kind of Kinokritik) 

https://www.warnerbros.de/de-at/filme/elvis