29. September 2010

Visuell-Effect, woher, wohin, weswegen, weshalb.

Foto: Dr. Kurt Hanuschke und Urs Franzen mit und ohne Visuell Effects
Visuell-Effect, woher, wohin, weswegen, weshalb.
Dr. Kurt Hanuschke spricht mit dem Visuell-Effect-Artist Urs Franzen (u.a. Lead Visual Effects Artist bei »Cargo«) aus München.


Warum hast Du den Beruf des FX-Mannes ergriffen, war Dir die Realität zu langweilig?

Nö, es hat einfach Spaß gemacht. Ich habe früher viel im Schnitt gearbeitet und habe da schon angefangen hier und dort herumzubasteln und versucht das Optimum raus zu kitzeln. Eigentlich wollt ich ja auch ursprünglich Graphiker werden. So fing das ganze Drama ja erst an.

Wann gab es eigentlich den ersten Computertrick im Kino?

Genau genommen 1978 mit der computergenerierten Titelanimation von Superman. Im Film als solchen glaub ich erstmalig in »Tron«

»Tron«?
Film von 1982 mit Jeff Bridges, der aber ob der kalten Optik nicht wirklich angenommen wurde. Aber ich überlege, bei Ghostbusters, nee da wurde noch alles gemalt. Aber ich glaube so richtig gut, bzw. angefangen gut zu werden und so richtig shocking war dann Abyss.

Als Bewohner des Ahnungslosentales hab ich immer noch die vage Erinnerung, dass »Der
Rasenmähermann« einer der ersten Filme war mit Computeranimation.

Der Rasenmähermann? Was war das denn?

So ein komischer Film mit Pierce Brosnan, in dem irgendwie ein schwachsinniger Rasenmähermann ins Cyberspace eingeklinkt wird und sich am Ende darin komplett auflöst und nur noch sein Bewusstsein dort verbleibt.
Na ja, ... schön. Ich kann mich dunkel daran erinnern. Es war aber glaube ich eine ähnliche Zeit. Zu dieser gab es auch viele Kombinationen quasi. Als noch klassische Filmeffekte genutzt wurden, z.B. in Vorbeiflügen des Raumschiffes von Odyssee 2001, welches ein 12 Meter langes Modell war, das man auf einer Schiene entlang zog. Die Fenster waren zunächst schwarz mit Molton ausgekleidet, als man das Raumschiff zum ersten male abfilmte, dann wurde das Modell schwarz verkleidet und die Fenster blieben weiss, worauf dann das projeziert wurde, was da drin so passiert. Am Ende wurde alles per Doppelbelichtung zusammengefügt.. Wahnsinniger Aufwand, und wenn man sich das heute anschaut, denkt man sich auch so, ...äh ... guut. Höllisch guter Film, aber ausschauen?

Siehst Du Dich als digitale Fortsetzung in der Tradition eines Ray Harryhausen? Harryhausen war ja reiner Stopptrickbastler aber im Endeffekt ist es schon eine Entwicklung in diese Richtung.

Du hast Dir also nie die Finger an Stopptrick „schmutzig“ gemacht?

Nö. Aber es gibt ja immer noch Leute wie Tim Burton, die auf Stopptrick setzen. Oder Terry Gilliam mit »Das Kabinett des Doktor Parnassus«, eine Wahnsinnskombination aus klassischer Kulissenschieberei und digitalen Welten, die sich dahinter auftun und dem einen irren Look geben. Der Film wurde aber nicht wirklich ein Blockbuster, da er das Problem für die breite Masse hatte, zu experimentell und nischig zu sein. Wenn man aber jetzt auf die Entwicklung des Mainstreamkinos geht, wo du so fast alles generieren kannst, was man sich so vorzustellen vermag....

Ich wollt gerade sagen, heutzutage ist doch jeder Scheiß möglich!

Fast!! Was ist denn nicht möglich, wo man sagt, na das wird jetzt schwierig.
Na ja schwierig ist ein Haufen, aber irgendwie lösbar ist es dann doch. Ich habe jetzt z.B. eben gerade vier Wochen bei Scanline Visual Effects München gearbeitet, die sind seit Jahren, also ca. 10, 12 Jahre weltweit führend, was die digitale Generierung von Wasser anbetrifft. In allen Filmen, in denen Wasser in größeren Mengen fließt, wie »300«, »2012« oder »Poseidon« kommt das Wasser aus München. Die haben schon sehr früh angefangen eigene Software zur Wassersimulation zu entwickeln, welche sie zu einer hohen Perfektion weiterentwickelt haben. Zuvor wurde immer gesagt, Wasser ist wahnsinnig schwierig. Wenn man mal am Meer steht, das ist eine unglaubliche Komplexität, welche sehr schwierig am Computer zu berechnen ist und auch noch so zu berechnen, dass man es nicht nur als mathematische Tabelle hat, sondern auch noch gut ausschaut. Aber das Problem ist zu 95% gelöst. Aber halt auch so Sachen wie Feuer, natürliche Prozesse, wo man als Mensch einfach davor sitzt, ob es eine Brandung ist oder der Kamin daheim und man stundenlang reinschaut und denkt: Wahnsinn, ist das schön! Diese Komplexität von Vorgängen. Das wird noch ein paar Jahre dauern, bis das kein Thema mehr ist. Aber die größte Schwierigkeit ist nach wie vor, und das ist schon seit Anbeginn, »Metropolis« war 1927, dieses Thema Menschmaschine. Des Menschen Wunsch sich selbst ein Ebenbild zu schaffen. Wie halt der von Dir erwähnte »Rasenmähermann«, der als eigener Avatar in den digitalen Kosmos eindringt. Oder »Matrix«. Seit es Filme gibt, gibt es immer wieder das Thema, der Mensch in der Maschine oder der Mensch als Maschine, oder die Maschine als Mensch. So alt diese Idee ist, dieser Traum ist es auch, den Menschen im Computer so zu generieren, dass er glaubhaft ist.

Ist es denn vorstellbar, dass man eines Tages kein Geld mehr für Brad Pitt und George Clooney ausgeben muss, sondern sich einen digitalen Star schafft?

Es gibt mehrere Probleme dabei. Rein technisch ist es wie bei Wasser oder Feuer sehr komplex, schon allein, was die Mimik anbetrifft. Das ist schon Wahnsinn. Wo man im Moment steht, ist, dass du quasi Schauspieler nimmst wie bei »Herr der Ringe« mit Gollum, Andy Serkis, oder bei »Avatar«, wo du im Gesicht ganz viele Punkte hast, die mit Spezialkameras aus mehreren Perspektiven aufgezeichnet werden und dann diese Geometrie auf ein Gesichtsmodell gebracht wird.

Das ist ja eigentlich basierend auf Disney, der seine großen Kinofilme von Schauspielern spielen ließ und man dann die eigentlichen Figuren darüber zeichnete, um eine natürliche Bewegung zu erhalten.

Genau und dieser Ansatz kommt aus dieser Zeit und im Prinzip ist diese Idee die gleiche, das stimmt schon. Man müsste sich sozusagen in einem Gesichtsanimationsprogramm eine Bibliothek erstellen, die die unterschiedlichsten Mimiken, wie zornig, hoch erfreut, hungrig oder befriedigt speichert und die in Verbindung mit einer Buchstabenbibliothek abrufbar macht. Das Dumme ist, es funktioniert halt immer nur begrenzt, so dass bei »Avatar« alles zuvor geschauspielert wurde und die Mimik eins zu eins übertragen wurde.

Gibt es heutzutage Tricks, die selbst der Fachmann nicht erkennen würde?

Ich würde sagen, ja. Aber eine andere Frage, wo ich mich schwer tue, ist, lösen digitale Medien das Medium Zelluloid ab? Das ist auch eine Sache, dass Leute seit acht Jahren prophezeien und sagen, das Zelluloid ist tot und es wird nur noch digital gedreht. Passiert aber trotzdem noch nicht, da man an das Zelluloid noch nicht rankommt. Es lebt einfach mehr. Beim Film hast Du einfach einen unglaublichen analogen Kontrast und Farbumfang, den Du digital und in dieser hohen Auflösung kaum generieren kannst. Aber zurück zum digitalen Schauspieler, das ist es eben auch, was noch in 25 Jahren sein wird. Die schauspielerische Leistung vom Menschen sollte in keinster Weise unterschätzt werden. Z. B. Improvisation, Gestik, Mimik, wie interpretiert er die Rolle? Das alles in die Hand eines, ich sage mal technischen Nerds zu legen, der das sicherlich alles so hinbekommt, wie Du das haben willst, kann ein Team von hochrangigen Schauspielern nicht ersetzen. Er kann sie führen, ist aber darauf angewiesen, dass sie auch die Rolle spielen können, was der Nerd nicht kann, da er sonst eine schauspielerische Ausbildung dazu haben müsste.
Nur mal ein einfaches Beispiel für Interpretation und Schauspielkunst. Die berühmte Kartoffelszene aus »Der Seewolf« mit Raimund Harmstorf. 37 Jahre später die gleiche Szene mit Thomas Kretschmann.

Das darf man doch aber nicht! Aber welches war Dein letzter guter Film, der ohne Effekte ausgekommen ist?

Ohh puuh... Ich möchte mal andersrum sagen; Mir hat der letzte Polanskifilm »Ghostwriter« sehr gut gefallen, vor allem auch deshalb, weil man als Profi gar nicht gerafft hat, dass die da hinten groß was gemacht haben. Gut die typische Geschichte aus´m Auto raus, was man früher mit großer Rückprojektion realisierte. Das betrachte ich aber heute eigentlich gar nicht mehr als großen Trick, das ist einfach Standard und hat ja auch nichts mit der wirklichen Notwendigkeit von Visuell Effects wie bei Avatar zu tun, sondern ist einfach ein finanzielles Ding, ob man mit dem Auto 57 mal die Straße hoch und runterfährt oder an ein und der selben Stelle arbeitet.

Das beantwortet auch gleich meine Frage, was der wohl geläufigste und am häufigsten eingesetzte Trick im Film ist.
Ich würde sagen, der klassischen Greenscreen, um Darsteller an einem Ort zu zeigen, den es gar nicht gibt.

Ich danke für das Gespräch und die Einladung zur Wiesn ins Augustinerzelt.

http://www.v-fx.de