23. August 2011

»Source Code« ein zweites Mal schauen? - Pro und Contra

Was tun, wenn es eine Technik wie in »Source Code« gäbe, mit der es möglich ist, etwas Vergangenes noch einmal zu erleben:
»Source Code« ein zweites Mal schauen? - Pro und Contra
Vielleicht »Source Code« ein zweites Mal schauen? Oder doch eher ganz schnell vergessen?
Zwei Redakteure des Kinokalender Dresden sind sich uneins.

Pro:
So etwas muss ihm erst einmal jemand nachmachen: Mit nur einem Film gelang es dem 39-jährigen Regisseur Duncan Jones 2009, als „Retter“ der seriösen Weltraum-Fiktion gefeiert zu werden. Sein kammerspielartiges Moon mit Sam Rockwell in der Hauptrolle erhielt weltweit zahlreiche Auszeichnungen und zeigte eindrucksvoll, wie mit wenig Mitteln Großartiges geschaffen werden kann. Sein Nachfolgewerk »Source Code« ist ungleich höher budgetiert, sieht mehr nach Hollywood aus – und ist trotz allem nicht weniger innovativ: Ein Mann wird mehrmals in die Vergangenheit geschickt, um einen Attentäter zu identifizieren, der nach einem ersten Anschlag in einem Zug nun einen weiteren, viel größeren angekündigt hat. Wird der Bombenleger entlarvt, so kann zumindest die zukünftige Katastrophe verhindert werden.

Natürlich ist die Prämisse – eine Person erlebt ungewollt ein Ereignis immer und immer wieder – nicht neu. Sehr wohl aber ihre Variation. Einerseits, weil Regisseur Jones den Handlungsraum seines Protagonisten, in diesem Fall dargestellt von Jake Gyllenhaal, auf wenige Schauplätze beschränkt und es schafft, dies optisch nicht in Langeweile münden zu lassen. Andererseits, da die finale Auflösung trotz leichter Übersäuerung mit patriotischem Musikschmus wider Erwarten intelligenter ausfällt als befürchtet. Zwar sind die Parallelen zur TV-Serie »Zurück in die Vergangenheit« unübersehbar und könnten schnell als dreistes Plagiat interpretiert werden. Doch würzt Jones seine filmische Version mit viel mehr Tempo, zwei sehr ansehnlichen Schönheiten namens Vera Farmiga und Michelle Monaghan als Nebenfiguren, sowie einem herrlich übertrieben aufspielenden Jeffrey Wright als skrupellosen Wissenschaftler. "Overacting"?

Und wie! Doch ich behaupte: Mit System! Denn es ist genau dieses rigoros Überzeichnete, mit dem Regisseur Jones deutlich macht, dass auch er sich der klapprigen Logik seines Streifens bewusst ist. Also reduziert er die Philosophie über richtig oder falsch einer solchen Technik auf ein paar Nebensätze und prescht stattdessen immer schneller durch die achtminütigen Zeitreisen, um den Bombenleger im Zug zu stellen. So hält man sein Publikum wach, liebe Freunde!

Täter gestellt, Film zu Ende? Nicht bei Duncan Jones, der nach dem Finale eine hinreißende Zeitlupenfahrt durch ein eingefrorenes Szenenbild zeigt, das jedem Liebesfilm Konkurrenz machen könnte. Dann aber verlässt er den bisher streng eingehaltenen subjektiven Blickwinkel seiner Hauptfigur und schenkt seinen Zuschauern noch etwas zum Grübeln: Gibt es womöglich tatsächlich mehrere Realitäten? Verschiedene Dimensionen des Seins, in der Fehler der Vergangenheit berichtigt werden können? Sollte dem so sein, so hoffe ich auf eine zweite Welt, in der es mehr von solch unterhaltsamen Werken wie »Source Code« gibt.

Csaba Lázár


Klar verändere ich mich nach dem zweiten Schauen eines Films. Aber kann man den Lauf der Dinge nachträglich verändern? Ein uralter Traum des Menschen und ein immer wieder gern variiertes Filmsujet. Duncan Jones fügt den vielen Varianten eine interessante Facette hinzu. Bemerkenswert an dem Film ist schließlich auch die Tatsache, dass ein durch seinen ersten Film ausgewiesener unabhängiger Regisseur, gar Erneuerer mit zahlreichen gestandenen Profis eine hoch budgetierte Produktion realisiert. Eine, die nicht verhehlt, wofür sie gemacht ist. Für die ganz große Leinwand.

Also alles super und ein neuer Regiestar ist geboren? Wohl nicht ganz so einfach. Die Story erscheint anfänglich zwar simpel, ist aber in der Tat, auch dank mehrerer Twists ungewöhnlich und spannend erzählt.

Helikopterpilot Captain Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) darf erst zum Ende hin realisieren, dass er im wahrsten Sinne des Wortes seine letzte Chance erhält. Dank der Technologie der Zeitrückverfolgung „Source Code“ des umtriebigen Wissenschaftlers Dr. Rutledge (Jeffrey Wright) und der schönen, geheimnisvollen Goodwin (Vera Farmiga) kann er dabei nicht nur die liebenswerte Christina (Michelle Monaghan) sondern auch die Menschen einer ganzen Großstadt vor ihrem Tod retten. Das Happy End kommt in Slow Motion und friert ein - wunderschön. Alles super und harmonisch?

Nicht ganz. Etwas zu glatt geht das Abenteuer voran. Die Geschichte entwickelt sich nach einer wunderbaren Eröffnung schnell zu zielstrebig Richtung Happy End. Der Gang der Dinge wird mit einem einfachen, leider aber unlogischen Kniff durch Colter Stevens verändert - der „Source Code“ setzt aber nur auf die letzten 8 Minuten gespeicherter Erinnerung von physisch Toten. Schade, denn die Exposition war schlüssig und in sich stimmig.

Der Film reduziert die komplexe Struktur auf eine schöne, aber simple Liebes- und Rettungsgeschichte in letzter Sekunde. Dazu ein Soundtrack, der mit seiner "Bombastität" wohl den fehlenden patriotischen Zack liefern sollte, aber eben einfach nur nervt. Zumindest ist der Bösewicht kein bärtiger Islamist - realistischer verweist der Plot auf einen enttäuschten, weißen Durchschnittsamerikaner.
Trotzdem hat Jones vieles richtig gemacht. Es standen ihm immerhin auch genügend Experten vor und hinter der Kamera zur Verfügung. Es war kein anderer als Produzent Mark Gordon (»Der Soldat James Ryan«, »The Day After Tomorrow«), der den Stoff mit Drehbuchautor Ben Ripley entwickelte. Duncan Jones konnte so auf interessante und bestens agierende Darsteller zurückgreifen, allen voran Jake Gyllenhaal. Hinzu kamen u. a. der wirklich ausgezeichnete Kameramann Don Burgess, dessen Blick auf Chicago einfach atemberaubend ist, die renommierte kanadische Kostümdesignerin Reneé April und Branchen-Legende Paul Hirsch, der die Optik des Films durch seine Erfahrungen aufwertete.
Nicht alles schlecht, aber auch nicht alles super eben.
Mersaw