7. Juni 2013

Progressiv geht aber anders - Pro und Contra »Gangster Squad«

Hollywood versucht sich an einem atmosphärischen Gangsterfilm - das Ergebnis?
Progressiv geht aber anders - Pro und Contra »Gangster Squad«
26 Jahre nach dem Klassiker »Die Unbestechlichen« versucht sich Hollywood erneut an einem atmosphärischen Gangsterfilm. Das Ergebnis, »Gangster Squad«, wird in der Redaktion des Kinokalender Dresden mit gemischten Gefühlen aufgenommen.

Pro

Die Vorzeichen standen schon mal gut: Regisseur Ruben Fleischer (»Zombieland«) konnte für sein Gangsterepos gleich eine ganze Reihe von Charaktermimen gewinnen und hatte mit Serien-Schreiber Will Beall (»Castle«) und Neuling Paul Liebermann zwei Autoren an der Hand, die ein Skript ablieferten, das von Sean Penn über Josh Brolin bis zu Ryan Gosling scheinbar alle beteiligten Schauspielstars zufrieden stellte. Zwar reicht das finale Werk nicht an die Genreklassiker heran, unterhaltsam ist »Gangster Squad« aber allemal.

Ähnlich wie in Brian De Palmas Meilenstein von 1987 begleitet »Gangster Squad« die Arbeit einer Polizeitruppe, die dank eines Freibriefs vom Chef persönlich (Nick Nolte) allen Handlungsspielraum erhält, um unter der Leitung von O’Mara (Brolin) das Verbrechersyndikat von Oberbösewicht Mickey Cohen (Penn) im L.A. des Jahres 1949 zu bekämpfen. Die Polizeimarken tauschen sie dabei gegen ein umfangreiches Waffenarsenal ein und nehmen Cohens Geschäfte sowie Mitarbeiter im wahrsten Sinne des Wortes auseinander – eigene korrupte Kollegen eingeschlossen. Cohen weiß sich allerdings zu wehren, die heimliche Affäre von Cop Wooters (Gosling) mit Cohens Geliebter Grace (Emma Stone) macht den brutalen Straßenkrieg zudem zu einer sehr persönlichen Angelegenheit.

Regisseur Fleischer fährt ganz schön auf: an gut aufgelegten Stars, imposanten Sets und coolen Posen. Misstrauen und Gewalt bestimmen die Szenerie und das moralisch verwerfliche Vorgehen auf beiden Seiten lässt keinen Zweifel daran, dass alle Beteiligten (weitere Stars sind u.a. Giovanni Ribisi, Michael Peña, Robert Patrick) nichts weiter als potenzielles Kanonenfutter sein können. Das macht »Gangster Squad« nicht nur zu einem Augenschmaus, sondern auch spannend und hier und da unvorhersehbar. Allerdings nicht auf ganzer Länge, was vor allem an der Eindimensionalität der zahlreichen Charaktere liegt. Zwar haben auf Polizisten-Seite alle Männer ihre eigene Motivation für den Feldzug gegen Cohen, sympathische Kumpel, denen man Erfolg und eine kugelsichere Weste wünscht, werden sie trotzdem nicht. Letztendlich dienen alle Figuren auf beiden Seiten nur einem Zweck: als Vorspiel für die unvermeidliche Konfrontation von Brolins O’Mara und Penns Cohen. Wer am Ende als Sieger hervorgeht, ist beinahe nebensächlich, da beide sich ähnlicher Mittel zum Erreichen ihrer Ziele bedienen. Ärgerlich ist dies jedoch keinesfalls, da »Gangster Squad« so auf eine plumpe Gut/Böse-Zeichnung verzichtet. Keine Selbstverständlichkeit im Mainstreamkino.

Angesichts der problembehafteten Entstehungsgeschichte des Films – bereits abgedrehte Szenen mit einer aufwendigen Schießerei in einem Kinosaal mussten aufgrund eines realen Amoklaufs in einem US-Kino im Juli 2012 komplett durch eine neue Actionszene ersetzt werden – ist »Gangster Squad« erfreulich geradlinig und unterhaltsam geraten. Kein Meisterwerk, wie es einst De Palma mit »Die Unbestechlichen« geschaffen hat, für den kleinen Kinoappetit zwischendurch aber durchaus geeignet.
Csaba Lázár

Contra
Er weiß einfach nicht wie das geht, leben, er hat es nie gelernt, er kann nur kämpfen. Kurz vor dem Showdown, da hat er schon eine Menge Pulver verschossen, darf Sergeant John O’Mara (Josh Brolin) auch mal jammern. Er sitzt mit Kollegen Jerry Wooters (Ryan Gosling) auf der Veranda seines von Mafiosi zerschossenen Hauses, der Kampfauftrag ist noch nicht erledigt, aber das wird schon. O’Mara und seine Männer vom Gangster Squad kämpften im 2. Weltkrieg, gegen die Nazis. Jetzt erledigen sie den Obermafioso von L.A., den jüdischen Gangster Mickey Cohen (Sean Penn). Interessante Konstellation das. Am Ende sitzt der Sergeant mit Frau und Baby zufrieden am Strand. Dank seiner ist die Welt nun ein besserer Ort. Selbstjustiz als Allheilmittel.
Die Eröffnungssequenz will auf ultrabrutal machen, oder ist ein lustiges Splattermovie-Zitat, Regisseur Ruben Fleischer wird’s schon wissen. Ein Mann liegt am Boden, dekorativ in dicke Stahlketten gewickelt und zwischen zwei Autos gespannt, todsicheres Ding. Mickey, die Bestie, schaut der Zerreißprobe zu. Sean Penn spielt den Erzbösewicht mit Ironie pur und schafft es, die dick angestrichenen Augenbrauen nicht unfreiwillig komisch wirken zu lassen. Sein beeindruckendes Muskelspiel tut ein Übriges. Um Äußerlichkeiten geht’s schon auch sehr in »Gangster Squad«. Die Ausstattung ist perfekt bis geleckt. Der umwerfend geschminkte Mund und die sensationellen Outfits von Emma Stone als Gangster- und Polizistenliebchen Grace Faraday sind Grund genug, sich die große Ballerei anzuschauen. Ryan Gosling trägt den somnambulsten Schlafzimmerblick der Saison spazieren und seine edle Garderobe so lässig wie nie. Alle anderen Herren fallen durch ihre netten Hüte auf. Das Set Design ist imposant, die finale Schießerei ein Farbrausch in Jahresendfarben. Sieht wirklich glänzend aus, wenn ein güldenes Projektil eine ebensolche Weihnachtsbaumkugel durchschlägt. An einem Springbrunnen Modell »Froschkönig« ist Endstation für Mickey Cohen. Dort fließt noch mal viel Wasser und Blut, bevor Sergeant O’Mara dem abschließenden Familienglück anheim fällt.

Was wollte Regisseur Ruben Fleischer da wohl drehen? Eine Hommage an Brian de Palmas »Untouchables«? Das Prequel zu Curtis Hansons »L.A. Confidential«-Verfilmung? Oder einfach ein Action-Hochglanzmärchen vor einer der schönsten Kulissen der Welt? Schwer zu sagen. Fleischer, der Mann aus »Zombieland«, hat seine Action- und Splatterversatzstücke kräftig durchgeschüttelt, nicht lasch gerührt. Er ist gut, wenn er locker bleibt und mörderisch übertreibt. Leider schlägt er auch unnötig pathetische Töne an, als hätte er dem Spaßfaktor seiner bleihaltigen Veranstaltung nicht recht getraut und lässt seine Stars mächtig reaktionäre Sprüche klopfen. Da ist dann Schluss mit lustig.
Fazit: Schöne Bilder, nette Action. Progressiv geht aber anders.
Grit Dora

http://www.gangstersquad.de