Führer und Verführer
Deutschland 1944, während sich an allen Fronten Niederlagen abzeichnen und die 6. Armee in Stalingrad vernichtet wird, steht Propaganda-Minister Joseph Goebbels vor dem Spiegel und probt sein eindringliches Agitationsgeschrei vom „totalen Krieg“. Welchen sich das ganze Land angesichts wachsender Trümmerberge nun endlich wünschen möge. Was den meisten Nachgeborenen undenkbar scheint; eine wie wild jubelnde Menschenmenge während Goebbels' Rede im Sportpalast, lässt sich aber auch lesen als der logische Höhepunkt einer gnadenlos effizient betriebenen Propagandamaschine. Der Film wird den Betrieb dieser Maschine minutiös nachvollziehen. Joseph Goebbels, wegen Körpergröße und Behinderung keinesfalls ein Abbild des strotzend gesunden, heroisch blonden Germanen, weiß die neuartigen Medien Ton-Film und Radio für die Propagandazwecke der Nationalsozialisten bestens zu nutzen. Er sieht sich als studierter Germanist hingezogen zu den großen Künstlern seiner Zeit. Von ihrem Glanz möchte er etwas haben, sein gesprochenes Wort soll Beifallsstürme auslösen, seine Bilder sollen die Menschen eher für die Wahrheit halten als alles, was sie täglich mit eigenen Augen sehen können. Ist er privat auch ein wankelmütiger Opportunist, als Chef-Propagandist des Reiches ist er so erfolgreich wie niemand vor ihm. Hier liegt aber auch die grundlegende Gefahr, welche Regisseur Joachim A. Lang und sein Team nicht nur zum Titel und zentralen Thema des Filmes machen, sondern der sie während des Produktionsprozesses selbst erfolgreich begegnen mussten. Keinem Foto, keinem Filmschnipsel, keiner Tonaufnahme dieser Zeit darf der heutige Betrachter vorurteilsfrei trauen. Alles ist inszeniert, gescriptet, gefakt. Um aber über diese Leute und ihre Arbeit zu sprechen, Goebbels und dessen Lügenministerium darzustellen, braucht es verlässliche Quellen. Der verhinderte Germanist führte akribisch Tagebuch, das Meiste davon ist erhalten, doch wer mag schon dem Chef-Lügner einen einzigen geschriebenen Satz glauben? Das Drehbuch des Filmes wird zu einem der bestens recherchierten Dokumente unserer Zeit, in dem sich vielfach belegte historische Fakten mischen mit einer eindringlichen wie distanzierten Schauspielarbeit sowie einer Handvoll Originalkommentaren von überlebenden Zeitzeugen. Aktueller könnte dieser Film wahrlich nicht sein.
alpa kino
Buch: Joachim A. Lang
Regie: Joachim A. Lang
Darsteller: Robert Stadlober, Fritz Karl, Franziska Weisz, Sascha Goepel, Raphaela Möst, Emanuel Fellmer, Sebastian Thiers, Moritz Führmann, Dominik Maringer, Johannes Rhomberg, Oliver Fleischer
Kamera: Klaus Fuxjäger
Musik: Michael Klaukien
Produktion: Zeitsprung Pictures, Till Derenbach, Michael Souvignier, Sandra Maria Dujmovic
Bundesstart: 11.07.2024
Start in Dresden: 11.07.2024
FSK: ab 12 Jahren