Sing Sing

Eben stand er noch auf der Bühne, jetzt geht John „Divine G“ Whitfield zurück in seine Zelle im Hochsicherheitstrakt in Sing Sing. Seine langjährige Haftstrafe wegen eines Mordes, den er nicht begangen hat, erträgt er nur, weil er eine feste Größe im Theaterprogramm der Haftanstalt ist. Auf der Bühne schafft er sich einen freien Raum, gelingt ihm der Ausbruch aus der Gefängnisroutine. Das Spielen lässt ihn auch die Ablehnung seiner Gnadengesuche verkraften. Als ein neuer Mithäftling in die Theatergruppe eintritt, deren Rituale in Frage stellt und aufmischt, gerät Johns Alltag aus dem Takt. Der unkalkulierbare Clarence „Divine Eye“ Maclin interessiert sich nicht für Theaterklassiker, er will in einer Komödie spielen, in der Prinz Hamlet auf Figuren wie Freddy Krueger, alte Ägypter oder römische Gladiatoren trifft.
Greg Kwedar ringt dem Genre des Gefängnisfilmes ein fesselndes Drama ab und vermeidet jegliche naheliegenden Klischees. Neben dem großartigen Colman Domingo als John „Divine G“ berührt Paul Raci als emphatischer, über die Spielanlässe Hoffnung vermittelnder Theatergruppenleiter im Zusammenspiel mit ehemaligen Häftlingen. Ein Ensemble aus Laien und Profis und dennoch wie aus einem Guss, kraftvoll, glaubwürdig, authentisch. Herausragend performt der sich selbst spielende Clarence „Divine Eye“ Maclin. Gedreht wurde in nur 18 Tagen auf 16-Millimeter-Film. Chef-Kameramann Pat Scola filmte überwiegend aus der Hand bei natürlichem Licht. Großaufnahmen der Spielenden kontrastieren mit GoPro-Einstellungen, die den Überwachungsalltag im Knast unterstreichen. Das verleiht den Bildern eine nahezu dokumentarische Qualität.
Grit Dora