Stories We Tell

Dokumentation, Kanada 2012, 113 min

„Jede Familie hat ihre Geschichte.“ Diese so einfach klingende Wahrheit hat schon viele Gewissheiten zerstört. Sobald sich Menschen mit der Vergangenheit beschäftigen, finden sie Ereignisse, von denen sie nichts wussten und Geheimnisse, über die nicht gesprochen wird. Oft müssen Eltern oder Großeltern sterben, um den Angehörigen eine Beschäftigung mit außerehelichen Affären oder - wie es in Deutschland oft der Fall ist - umfangreicher Betätigung bei den Nazis zu ermöglichen.
Die Filmemacherin Sarah Polley ist jetzt 35 und widmet sich in diesem Film dem Wesen ihrer Mutter. Diese starb, als Sarah zehn war. Sie und ihre Geschwister erinnern sich an eine stets fröhliche Person, die alle mitriss und nur selten einmal nicht lachte. Umfangreiches Filmmaterial bestätigt diese Erinnerungen. Dann geht Sarah der alten Familienspöttelei nach, nach dem ihr „Vater“ gar nicht ihr biologischer Vater sei - schließlich haben sie gar keine Ähnlichkeiten. Sie trifft die Männer, denen scherzhaft - oder eben doch ein bisschen ernsthaft? - eine Affäre mit ihrer Mutter nachgesagt wurde und macht überraschende Entdeckungen, die nicht immer leicht zu verkraften sind.
Sarah Polley kommt aus einer Schauspielerfamilie, beide Eltern spielten im Film und vor allem auf der Bühne. Mit vier Jahren spielte sie selbst das erste Mal. Bekannt wurde sie als Schauspielerin in den Filmen von Atom Egoyan (»Exotica«, »Das süße Jenseits«). Mit »An ihrer Seite« begann sie selbst Regie zu führen, zuletzt war von ihr »Take This Waltz« im Kino zu sehen.
Nicht selten ist Polley den Tränen nahe. Sie bittet den Vater, seine Erinnerungen aufzuschreiben und im Studio einzusprechen. Aufmerksam entdeckt sie Momente, über die er lieber hinweg gehen möchte - sie bohrt nach und fragt auch ihre älteren Geschwister aus. So erschafft sie ein liebevolles und sehenswertes Porträt ihrer ganzen Familie. Ihre Mutter selbst ist in den vielen Heimvideo-Filmen sehr präsent - wenn sie es denn wirklich ist. Kurz vor Schluss kommt eine weitere Überraschung, die uns wieder über das Wesen von „Geschichten“ nachdenken lässt. Die sind nämlich erst dann eine Geschichte, wenn sie vorbei sind und erzählt werden können.
Petra Wille

Buch: Sarah Polley

Regie: Sarah Polley

Kamera: Iris Ng

Musik: Jonathan Goldsmith

Produktion: National Film Board of Canada (NFB), Anita Lee

Bundesstart: 27.03.2014

Start in Dresden: 27.03.2014

FSK: o.A.