Ida

Drama, Polen/Dänemark 2013, 82 min

„Fragen nach Identität, Familie, Blut, Glaube, Zugehörigkeit und Geschichte haben bei mir immer eine Rolle gespielt“, sagt der Regisseur Pawel Pawlikowski. Kein Wunder, er selbst wurde in Warschau geboren, verließ mit 14 seine Heimat Polen, zog nach Deutschland, dann nach Italien und lebt heute in England. Dort begann er in den 80ern Filme zu drehen, einer der bekanntesten ist »My Summer of Love« (2004, mit Natalie Press und Emily Blunt).
»Ida« erzählt von einer jungen katholischen Nonne, die ihre jüdischen Wurzeln entdeckt. Der Film spielt 1962, in einer Zeit, die Pawlikowski selbst in Polen erlebt hat. Durch schwarz-weiße Bilder vermeidet er nostalgischen Retrolook, er erreicht eine Konzentration auf das Wesentliche: Gesichter und Gesten.
Anna (Agata Kulesza) wird kurz vor ihrem Gelübde berichtet, dass sie eine Tante hat. Sie wuchs im Kloster auf und glaubte stets, ohne Angehörige zu sein. Nun besucht sie Wanda (Agata Kulesza), die Schwester ihrer Mutter, und sucht mit ihr zusammen das Grab ihrer Eltern. Diese wurden zwar zunächst von einer Familie versteckt und versorgt - aber was passierte dann? Was nach Spannung und kriminalistischer Handlung klingt, ist ein poetischer Film, der sich der Beziehung der beiden Frauen widmet - „Ich bin die Nutte, du die Heilige“, sagt Wanda. Sie ist mondän, elegant, aber auch gebrochen. Die frühere Generalstaatsanwältin trinkt viel und bearbeitet als Richterin inzwischen nur noch Bagatellfälle. Erschreckend abgeklärt erzählt sie ihrer Nichte, wie sie früher als gefürchtete „Rote Wanda“ Menschen zum Tode verurteilte.
In Anna, die als Kind Ida hieß, muss es brodeln. Ihre Welt, in der sie ein gerechter Gott behütet, wird massiv in Frage gestellt. Die wenigen Tagen mit Wanda eröffnen ein neues Universum, das sie zunächst mit aufmerksamen Blicken beobachtet, in das sie schließlich sogar Schritte hineinsetzt. Der Film besticht durch seine Fokussierung auf das Wesentliche und die beiden fantastischen Darstellerinnen. Fast nebenbei wird die große Zeit des polnischen Jazz gewürdigt.
Petra Wille