Die Wirklichkeit kommt

Dokumentation, Deutschland 2014, 86 min

Was ist das denn - die „Wirklichkeit“? Für den so genannten „Sendermann“ waren Anfang der 70er Jahre ähnliche Gefahren real, wie sie heute als „Spähskandal“ oder „NSA-Affäre“ bekannt sind. Er warnte damals in West-Berlin „Bürger! Entwickelt Initiative! In jedem 3. Haus CIA und Abschirmdienst mit Sendern! Wehrt Euch! Der Verfassungsschutz foltert Bürger mit Sendern!“ So richtig hören auf ihn und seine auf zahlreiche Wände gepinselten Warnungen wollte aber niemand. Heute glaubt Harald Brems, dass er von „ihnen“ bestraft wird, zum Beispiel mit Schlafstörungen und Schmerzen. Elektromagnetische oder Mikrowellen-Bestrahlungen lösten so etwas aus - und sie sind nicht nachweisbar. Die Suche nach einer Wanze in seinem Körper bleibt erfolglos, aber „sie“ sind technisch einfach schon weiter, arbeiten mit Nano- und eventuell mit organischen Materialien.
Ist »Die Wirklichkeit kommt« ein Film über Verrückte oder Menschen mit psychischen Störungen? Niels Bolbrinker (»Die Frau mit den 5 Elefanten«) versucht dieser Form der Paranoia auf die Spur zu kommen und spricht mit vielen Menschen. Er erfährt, dass beim Chaos Computer Club (CCC) sehr viele Anfragen eingehen von Personen, die Angst vor Funk- oder Mikrowellen haben und intern „Wavies“ genannt werden. Paranoider Technikwahn ist generell nicht neu - es gab ihn schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zuvor wurden Dämonen beschuldigt, die Betroffenen zu steuern oder zu manipulieren. „Schizophrenie“ ist eine nahe liegende medizinisch-psychiatrische Diagnose.
Aber da sind eben auch die militärischen Forschungen mit Strahlenkanonen. Drohnen, die Menschen töten oder in Kolibriform durch Räume fliegen und Wanzen ablegen. Da sind Firmenvertreter auf Sicherheitsmessen, die die Fortschritte der Biometrie preisen, wie die Erkennung von Gesichtern oder den Gang einer Person. Der Kampf von „Gut“ gegen „Böse“ wird hier als Wirtschaftsfaktor gesehen und der eine oder die andere wünscht sich, mittels Technik Gedanken lesen zu können, um die Bomben tragende Person zu finden, „bevor die Bombe hochgeht“.
Constanze Kurz vom CCC nennt die wirtschaftlichen Interessen beim Namen: Hier sollen soziale Probleme wie Terrorismus mit technischen Mitteln gelöst werden. Die Folgen sind für uns alle verheerend: „Wer sich überwacht fühlt, lebt nicht frei.“ Und demokratische Rechte, die nicht mehr ausgeübt werden - die sterben. Ein bitteres Fazit nach einem interessanten Panorama der Paranoia- und Überwachungs-Facetten.
Petra Wille

Buch: Niels Bolbrinker

Regie: Niels Bolbrinker

Kamera: Niels Bolbrinker

Produktion: Filmtank, Wendländische Filmcooperative

Bundesstart: 15.05.2014

Start in Dresden: 12.06.2014

FSK: ab 12 Jahren