Traumland

Drama/Episodenfilm, Schweiz/Deutschland 2013, 99 min

Still soll sie sein, die Nacht. Und heilig. Zu Weihnachten zwischen dem Zürcher Straßenstrich Sihlquai und dem Langstraßengeviert, wo man seine Huren gegen allerlei Bares aufgabeln kann. Von einem Traumland keine Spur. Kotzen könnte man statt dessen vor scheinheiliger Nächstenliebe.
Rücksichtslose Zuhälter, egoistische Kunden, betrogene Ehefrauen, gestresste Sozialarbeiterinnen oder bigotte Nachbarn umkreisen auf folgenschwer verwobenen Bahnen die grazile Mia, eine 18-jährige bulgarische Prostituierte, die vielleicht als Einzige einen Traum hat; sie möchte mit ihrem kleinen Sohn Weihnachten feiern, daheim auf dem Balkan. Eine Handvoll Geldscheine deponiert sie heimlich im Keller. Wenn ihr selbst für eine Aussprache unter Frauen 400 Franken angeboten werden, könnte sie für sich und ihren Sohn hier und da etwas abzweigen. Die schwangere Lena tauschte soviel Geld bei Mia gegen Antworten, die sie von ihrem Ehemann nicht bekommt, löst jedoch mit ihrer Visite auf dem Strich mehr Unheil aus, als ihr lieb sein kann… Voller Zorn und doch mit ehrlichem Respekt betrachtet die Regisseurin Petra Volpe das bunte Treiben der Sexarbeiterinnen. Hier glitzert der Swarovskibaum gespenstisch, dort blinkt billiger Tischschmuck, ganz egal, Dampf ablassen müssen alle Männer. Das älteste Gewerbe lebt von dieser Konsens-Lüge und Volpe zerrt gleich noch einen weiteren Konsens ins Scheinwerferlicht; Menschenhandel, Ausbeutung und Leid lösen sich unterm heimischen Christbaum in Luft auf. Aus den Augen, aus dem Sinn. Während ihrer 4-jährigen Recherchearbeit im Zürcher Milieu erlebte sie die heuchlerische Augenwischerei hautnah, als 2013 die Sihlquai-Huren fortgejagt und hinter Sex-Boxen am Stadtrand versteckt wurden. Endlich ist die Nacht still. Und scheinheilig. Mias Erspartes stopft die frivole Witwe von nebenan in den Klingelbeutel ihrer Kirchgemeinde. Und löst mehr Unheil damit aus, als ihr lieb sein kann…
alpa kino