Der Sommer mit Mamã

Drama, Brasilien 2015, 111 min

Val, die gute Seele von einer Haushälterin, schwebt seit 13 Jahren durch eine brasilianische Unternehmer-Villa. Hausordnung und soziale Einstufung sind ihr mittlerweile ins Mark gebrannt und sie beherzigt die Etikette in einer grandiosen Mischung aus tiefverwurzelter Gutsherrentradition und preußischem Gehorsam. Man denke nur; zehn Jahre hat sie die eigene Tochter nicht zu Gesicht bekommen, aber Fabinho, den Sohn der Familie, wie ihr eigenes Kind behütet und erzogen. Doch plötzlich ändert sich alles. Jéssica will die Aufnahmeprüfung an der Uni von São Paulo machen. Sie ist Vals Tochter, also warum soll sie nicht für ein paar Tage bei ihr übernachten. Ins Kellergemach der Mutter passt sicher noch eine zweite Matratze… Was hier unvermittelt aufeinander prallt, sind nicht nur Mutter und Tochter, sich selbst vollkommen fremd, sondern auch zwei Generationen, die einander kaum noch verstehen im modernen Brasilien. Längst haben die Jugendlichen die Unantastbarkeit der gesellschaftlichen Schranken in Frage gestellt. Und die Unterwürfigkeit des vorigen Jahrhunderts ist ihnen auch fremd. Keck springt Jéssica in den Pool der Villa, Val hat keinen Zeh reingehalten in 13 Jahren; bezieht das Gästezimmer des Hauses und begegnet sämtlichen Bewohnern auf Augenhöhe. Für Val undenkbar, doch man muss der Mutter den feinen Sarkasmus zugute halten, mit dem sie sich ihre eigene Situation stolz redet. Sie hätte es schließlich zu was gebracht, und die Matratze für Jéssica hätte der Hausherr immerhin selbst bezahlt, aber man könne doch nicht die Ordnung im ganzen Haus auf den Kopf stellen. Denn genau das tut Jéssica und besonders bei Vater und Sohn zeigt ihre Anwesenheit schnell eine aphrodisierende Wirkung… Während Val mit ihrer Loyalität mehr zu ringen hat als mit der Wäsche. Dem Publikumsliebling aus dem Panorama-Programm der aktuellen Berlinale gelingt ein eindringlicher Blick auf die Auswüchse sozialer Ungerechtigkeit in Brasilien und das Faszinierende dabei ist die Leichtigkeit, mit der er zwischen beschwingter Sommerlaune und nachdenklicher Generationskrise hin- und herwechselt.
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