Die Wildente

Drama, Australien 2015, 95 min

Das Wohl und Wehe einer Kleinstadt im australischen New South Wales hängt an der Existenz einer Holzmühle, deren Besitzer Henry Neilson (Geoffrey Rush) seiner Belegschaft soeben das wirtschaftliche Aus des Unternehmens verkündet. Walter Finch (Sam Neill) hat das kommen sehen, saß er doch Jahre im Gefängnis, weil ihm sein ehemals bester Freund und Geschäftspartner das eigene Versagen anhängte. Was der alte Henry noch so getrieben hat, wird dessen Sohn Christian ans Licht bringen. Als Christian nach 15 Jahren in seine Heimatstadt zurückkehrt und zuschauen muss, wie der Vater sein Hausmädchen heiratet, das die eigene Tochter sein könnte, da spürt er schmerzhaft, wie wenig der Bruch mit seinem Vater verheilt ist. Mit Bestürzung erkennt er, auf welche Weise auch Walter Finchs Sohn Oliver (Ewen Leslie) und dessen Familie von dem selbstgerechten Mühlenbetreiber abhängig geworden sind. Oliver, der Christians Jugendfreund war und natürlich auch beim alten Neilson arbeitet, erhielt immer schon eine gewisse Art von Sonderbehandlung. Dasselbe gilt auch für Olivers Frau Charlotte. Ganz besonders aber für ihre Tochter Hedvig (Odessa Young); das junge Mädchen ist das, was man die Wildente nennen würde… in der Sprache von 1884, als Henrik Ibsen dieses saftige Stück familiären Unglücks verfasste.
Regisseur Simon Stone kennt den Stoff in- und auswendig, denn bereits 2012 modernisierte er die Vorlage von Ibsen und brachte das Stück um die Entlarvung einer Lebenslüge erfolgreich auf die Theaterbühne. Nun breitet er das Drama behutsam auf der Leinwand aus, hüllt den Zuschauer in Unheil verkündende Szenen, tupft hier und da Sätze hin wie Jod auf offene Wunden, die den Fortgang begleiten werden wie Donnergrollen. Dabei darf er sich einer großartigen Riege von Schauspielern bedienen, an deren Spitze die 17-jährige Entdeckung Odessa Young in ihrer gerade mal zweiten Rolle steht. Es ist Simon Stones erster Kinofilm, doch er beherrscht ihn wie ein Dirigent, der sein Orchester genüsslich hochfährt zu einem OSCAR-würdigen Crescendo.
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