Die Quereinsteigerinnen
Eine der schönsten Film-Szenen aus den Achtzigern geht so; Ein frischverliebtes Pärchen, auf der Flucht von A nach B, steht in einer Telefonzelle und während sie noch spricht, beschließt er, dass es in der Sonne definitiv zu heiß, ihr Minirock definitiv zu kurz und das kleine Bord mit dem Telefonbuch definitiv in der richtigen Höhe für ihren Hintern ist. Laut hupend fährt ein LKW vorbei. Versuchen sie heute mal ein Telefonbuchbord zu finden. Dass es wenigstens wieder öffentlich zugängliche Telefone gibt, ist ein schieres Wunder. Und es gilt als nicht belegbar, dass dies ein Verdienst von Barbara und Katja gewesen sein soll. Die beiden Frauen kommen daher wie zwei entlaufene Mädchen aus Bullerbüh. Wo man dem Dorfpolizisten eine Nase dreht und alle so schrecklich erwachsenen Menschen nur mit den richtig naiven Fragen konfrontieren muss, um sie gründlich dranzukriegen: ‚Wohin sind eigentlich die gelben Telefonzellen verschwunden'?
Häh? Telefonzellen? Also das ist ja voll zwanzigstes Jahrhundert !!! Doch den beiden Frauen ist es ernst damit, denn nicht von ungefähr kidnappen sie ausgerechnet einen richtig großen Telefon-Konzern-Chef. Er ist der rechte Mann für eine solche Frage. Dabei geht es wie gesagt immer ein wenig zu, als hätte Astrid Lindgren am Drehbuch mitgeschrieben. Also keine Spur von post-revolutionärer Kritik am System mit vorgehaltener Waffe. Im Gegenteil gelingt es den Entführerinnen sehr schnell, ihrem Opfer die rare Schönheit einer solchen Landpartie schmackhaft zu machen. Und obwohl sich zu der kommunikativen Verbrüderung mit dem Chef-Telefonierer recht bald auch eine Liebesgeschichte gesellt, gewinnen die Quereinsteigerinnen mehr und mehr die Herzen der Zuschauer. Dafür sorgen Nina Proll und Claudia Basrawi in bezaubernder und nur schwer nachzuerzählender Art und Weise. Mit ein wenig kindlichem Charme, mit der Papierkorbsprache und mit Herb Alpert-Platten. Mit Moral im Regen und mit der Bratpfanne. Dieser Film ist eine Oase für alle, die noch nicht zu verblödet und verkabelt sind, um quer auszusteigen. Wenigstens ab und zu, für anderthalb Stunden.
Buch: Rainer Knepperges, Christian Mrasek
Regie: Rainer Knepperges, Christian Mrasek
Darsteller: Mario Mentrup, Nina Proll, Claudia Basrawi, Rainer Knepperges, Klaus Lemke, Eva-Maria Hings, Ferdi Pickart
Kamera: Matthias Rajmann
Musik: Thomas Hermel
Produktion: Rainer Knepperges, Christian Mrasek
Bundesstart: 17.08.2006
Start in Dresden: 21.09.2006