Forever Young

Stella (Nadia Tereszkiewicz) spielt eine Szene aus Jean-Paul Sartres Theaterstück „Die ehrbare Dirne“; schluchzend, schreiend, überdreht. Es gilt die Aufnahmeprüfung für einen der raren Plätze auf der renommierten Schauspielschule des Théâtre des Amandiers in Nanterre zu bestehen. 40 junge Menschen schaffen es in einen Workshop, zwölf davon werden schließlich an der Schule aufgenommen. Entsprechend hoch schäumen die emotionalen Wogen. Neben Stella gelingt auch Adèle (Clara Bretheau) und Etienne (Sofiane Bennacer) die Aufnahme. Adèle wird Stellas beste Freundin, mit dem rebellisch-widersprüchlichen Etienne versucht sie eine Beziehung zu führen.
Valeria Bruni Tedeschi verfilmt ihre in den 1980er Jahren liegende eigene Zeit an der Schule, zeigt die rastlosen Schauspiel-Eleven und ihre beiden Lehrer, den berühmten Regisseur Patrice Chéreau (Louis Garrel) und seinen Kollegen Pierre Romans (Micha Lescot), beide sehr eindrücklich, aber ganz sicher keine Sympathieträger. Julien Poupards Kamera geht ganz nah heran, wenn sich die kreativen wie die destruktiven Kräfte aller Beteiligten Bahn brechen, zeigt satte, farbgetränkte Bilder. Bruni Tedeschi analysiert nicht, sie versucht das leidenschaftlich überbordende Lebensgefühl dieser ihrer Zeit zu erfassen. Drama findet statt, etwa, wenn eine Namensliste an der Schuleingangstür die Workshop-Teilnehmer darüber informiert, wer aufgenommen ist. Krass übersteigerte Reaktionen auch, wenn die zwölfköpfige Gruppe am Tisch Tschechows Stück »Platonow« in verschiedenen Konstellationen liest und sich in einen schauspielerischen Überbietungswettbewerb hineinsteigert. Die Schulzeit mündet in noch existenziellere Konflikte: Drogensucht, Aids und ungewollte Schwangerschaften.
»Forever Young«  versucht in seinen Exzessen ein bisschen viel - das aber unwahrscheinlich reizvoll. Valeria Bruni Tedeschi schafft es, die (stark verklärte) Magie der Wilden Achtziger knallig plakativ einzufangen. Der Soundtrack tut ein Übriges.
Grit Dora