Martin liest den Koran

Ein Koran lesender Familienvater, 35 Jahre alt, mit iranischen Wurzeln, trifft einen angesehenen Islamwissenschaftler und Universitätsprofessor. Martin ist emotional erregt, hat er doch zuvor einen gewalttätigen Terroranschlag verübt. Und sucht nun bei Professor Neuweiser, so scheint es, nach Gründen der Rechtfertigung. Neuweiser verurteilte den Anschlag im Fernsehen und wird darauf von Martin mit Fragen bombardiert. Über Gott, Glauben, Zweifel, Gut und Böse. Sein Anliegen ist nicht Vergebung. Er möchte nur Klarheit. Und drängt den bestens Gebildeten, ein vermeintliches Missverständnis aufzuklären. Über das Töten von anderen Menschen. Unschuldigen Menschen. Es beginnt ein bedrohliches Kammerspiel in den Räumen der Uni, welches Martin aufs Beste vorbereitet zu haben scheint. Nicht nur in Martins Rucksack tickt eine weitere Bombe… Angesichts der Menschheitsgeschichte klingt „Du sollst nicht töten“, gelesen aus jeglichem Buch, wie ein leicht umgehbares Keuschheitsgelübde. Töten sei die schlimmste Sünde im Koran. Außer wenn dies gemäß des Rechts geschehe. Hier nun offenbart sich des Menschen ältestes Problem. Wer darf dieses Recht erklären, wer darf es sich nehmen, wer darf wen töten. Und wofür.
Das Drehbuch von Michail Lurje und Jurij Saule wurde 2022 mit dem Deutschen Drehbuchpreis ausgezeichnet. Jurij Saule, ein in der Sowjetunion geborener Jude, verwendet fünf Jahre seines Lebens darauf, den Koran auf seine Schwachstellen zu überprüfen. Logik und Überprüfbarkeit sollten seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert zur zentralen Währung geworden sein im täglichen Disput der Menschheit. Spoiler: Sie sind es nicht. Nicht immer. Nicht überall. Nicht um jeden Preis.
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