Ganzer Halber Bruder

Da Thomas (Christoph Maria Herbst) im Heim aufgewachsen ist, staunt er nicht schlecht, als er von seiner leiblichen Mutter plötzlich ein Haus in bester Lage erbt. Die Immobilie verkaufen und dann einen entspannten Neustart in Spanien hinlegen - für Thomas läuft’s! Zumindest theoretisch. Praktisch steht er gerade frisch aus dem Knast vor einer Immobilie, die zwar ihm gehört, aber leider schon bewohnt ist. Von Roland (Nicolas Randel), seinem Halbbruder. Ein Fitnessfan mit Trisomie 21, aber vor allem lebenslangem Wohnrecht. Der vor allem eins nicht ist: umzugsbereit. Was folgt, ist kein pathetisches Sozialdrama, sondern eine warmherzige Komödie. Thomas, abgebrühter Ex-Betrüger mit Hang zu schnellen Deals, zieht kurzerhand bei Roland ein und startet eine Räumungskampagne in Etappen: passiv-aggressiv, aktiv-manipulativ, kreativ-unfair. Doch Roland bleibt. Und wächst. Über sich hinaus, ins Herz des Publikums - und irgendwann auch in das seines Bruders. Regisseur Hanno Olderdissen findet den feinen Ton zwischen ehrlichem Humor und echter, nie platter Emotion. Weder Zuckerguss noch Pathos - sondern einfach zwei Figuren, die sich gegenseitig das Leben schwer machen und dabei näher kommen, als ihnen lieb ist. Christoph Maria Herbst spielt gewohnt spitz, aber mit überraschend weichen Untertönen. Nicolas Randel ist jedoch die eigentliche Entdeckung: selbstbewusst, lustig, klug - und nie Klischee. Es ist vor allem diese passende Besetzung, die dafür sorgt, dass es ein rundum herzlicher Film über Familie wird, über zweite Chancen und die Frage, was „Zuhause“ eigentlich wirklich heißt.
Viktoria Franke