Heimatkunde
Für alle zu spät Geborenen sei dies zur Einführung schnell erläutert; es gab mal ein richtiges Land namens DDR, mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz im Wappen, eigenen Verkehrsregeln und mit ziemlich wertlosem Geld als Zahlungsmittel. Für ’ne aktuelle Schachtel Gauloises hätte der Bewohner nach damaligem Kurs achtzig bis neunzig Mark hingelegt. Soviel wie für eine Monatsmiete. Aber im Fach Heimatkunde geht’s nicht um derlei Milchmädchenmathematik. Der „Die Partei“ Parteivorsitzende und „Titanic“ Chefredakteur Martin Sonneborn unterzieht sich einem wagemutigen Selbstversuch: Er wandert einmal rund um Berlin und sammelt mit seinem Kamerateam ein, was ihm an real existierender Wiedervereinigung vors Mikrofon kommt. Mag sein, dass er ganz Anderes im Sinn hatte. Aber im Wettlauf Satire gegen das Leben gewinnt allemal das Leben. Was er hier auf der Straße findet, ist bestes gesellschaftliches Dynamit. Oder einfach nur das, was man zu hören bekommt, wenn man dem Volk aufs Maul schaut. Nicht auszudenken, wie es ihm wohl in der Provinz ergangen wäre. Zwar landete das meiste Inventar der Arbeiter- und Bauernrepublik auf dem Müllhaufen der Geschichte. Aber nicht so die Menschen! Die meisten sind noch immer da. Und sie rechnen nach wie vor mit ihren Milchmädchenregeln. 40 Jahre Abgrenzung minus 18 Jahre Abwicklung machen stattliche 22 noch verbleibende Jahre der hartnäckigen oder gedankenlosen Widersetzung gegen die historische Weiterentwicklung. Da helfen Sonderabschreibungen oder Ostzulage nur bedingt, um den ehemaligen Todesstreifen wieder zu begrünen. Und Sonneborns erklärtes Wahlkampfziel für 2009, die endgültige Teilung Deutschlands, rückt nach Ansicht dieser bitterbösen Heimatkundestunde wieder ein Stück näher.
alpa kino
Buch: Martin Sonneborn
Regie: Andreas Coerper, Martin Sonneborn
Darsteller: Martin Sonneborn
Kamera: Andreas Coerper
Sprecher: Peter Bieringer
Musik: Achim Treu
Produktion: Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb)
Bundesstart: 02.10.2008
Start in Dresden: 02.10.2008