Voltaire ist schuld

Drama, Frankreich 2000, 130 min

Nach den ersten fünf Minuten hat der Film den Zuschauer auf seiner Seite. Mit Witz und Tempo überfällt einen die Geschichte von Jallel, dem Tunesier, der sich als Algerier ausgibt, um eine Aufenthaltsgenehmigung und einen Job in Paris zu ergattern. Etwas naiv aber voller Tatendrang stellt er sich den Herausforderungen des täglichen Existenzkampfes. Jallel ist Optimist und hat als solcher erst einmal großes Glück. Er verliebt sich in die Kellnerin Nassera, die ihm sogar eine Scheinehe anbietet, um ihm ein Bleiben zu ermöglichen. Doch dann schlägt das Leben zu und Jallel findet sich in der psychatrischen Abteilung eines Krankenhauses wieder. Er trifft Lucie, besser: Lucie lässt ihn nicht entrinnen. Lucie ist alles andere als ‘normal’. Jallel hat nicht nur ein Problem mit ihrer Unberechenbarkeit. Dennoch fügen sich da zwei geschundene Seelen auf ganz eigene Art und Liebe zusammen.
Abdel Kechiches Film ist kraftvolles soziales Kino, ohne Scheuklappen und Larmoyanz, dafür mit reichlich Witz, Wärme und vitaler Poesie. Bewusst werden seine Protagonisten nicht erhöht, indem der Regisseur etwa Jallel eine politische Verfolgung andichtet oder in Lucies Vergangenheit traumatische Erlebnisse ausgräbt. Die Figuren sind keine Opfer, sondern klassische Außenseiter und strahlende Helden zugleich. Ihnen haftet nichts Bemitleidenswertes an, vielmehr vermittelt der Regisseur Verständnis und Mitgefühl für ihre Bedürfnisse, aber auch ihre Schwächen und Fehler. Diese erfrischende Wirkung wird möglich durch den ebenso genauen wie unverfälschten Blick des Regisseurs und die Glanzleistung seiner Darsteller. Vor allem Frankreichs wilder Youngstar Elodie Bouchez begeistert mit ihrem bedingungslosen, hingebungsvollen Schauspiel.