Herr Wichmann von der CDU

Freitag, 14. Februar 2003, 14.30 Uhr, Panorama der 53. BERLINALE - ein Kinosaal im Ausnahmezustand - traurige Gesichter bei den aus Platzgründen „Ausgeschlossenen“. Auf dem Programm steht »Herr Wichmann von der CDU«, der neue Film von Andreas Dresen, der sich bereits binnen weniger BERLINALE-Tage zum Geheimtipp entwickelt hat. Zu Recht!
Entstanden ist der Film im Rahmen der preisgekrönten Dokumentarfilmreihe »Denk ich an Deutschland«, für die sich im Auftrag des Bayrischen Rundfunks und des WDR seit 1998 renommierte deutsche Regisseure mit Fragen zu unserem Leben, Denken, Handeln und Fühlen beschäftigen.
Es ist Sommer 2002 und Wahlkampf in der Uckermark. Die Chancen für Henryk Wichmann, 25, Bundestagskandidat der CDU, stehen schlecht. Denn die Region ist eine traditionelle SPD-Hochburg. Henryk Wichmann weiß das - und gibt nicht auf! Mit seinem Slogan „Frischer Wind bringt Bewegung in die Politik“ zieht er durch seinen Wahlkreis, diskutiert, verteilt Postkarten, besucht Altenheime und mittelständische Betriebe, organisiert Wahlkampfveranstaltungen mit Bundespolitikern seiner Partei. Unter seinem CDU-Schirm trotzt er Wind und Wetter - und der Hast der Passanten. Zum Glück hat er sich für den Endspurt noch ein paar Trümpfe aufgehoben…
Andreas Dresen geht nach seinem grandiosen Erfolg mit »Halbe Treppe« der Wirklichkeit noch einen Schritt entgegen. Er begleitet Henryk Wichmann einen Monat auf Wahlkampftour durch den entlegenen Nordosten Brandenburgs - einem scheinbar vergessenen Fleckchen Erde.
Das Ergebnis ist ein präziser, kluger, vor allem aber tragikomischer Film, der seinem Protagonisten aufmerksam folgt und dabei ein einprägsames Bild der Region und ihrer Menschen zeichnet. Im oft absurden, manchmal zermürbenden Kampf um die Wählerstimmen werden nicht nur die Sorgen und Sehnsüchte, Hoffnungen und Zweifel der Menschen offenbar, sondern auch die Probleme der Politik, sich den Realitäten einer weitgehend desillusionierten Gesellschaft zu stellen.
Für alle Fernsehfreunde zum Schluss folgender Hinweis: »Herr Wichmann von der CDU« wird wohl nur im Kino in der vollständigen Fassung von 75 Minuten zu sehen sein, da er für die Fernsehausstrahlung auf das gängige Zeitmaß der Dokumentarfilmreihe von 60 Minuten gekürzt werden soll. Auch das ist ein Stück deutsche Realität!