Der Mann mit der Kamera
Dziga Vertov dokumentiert den Tagesablauf einer großen sowjetischen Stadt, montiert aus Moskau, Kiew und Odessa. Er verzichtet auf narrative (literarische) und inszenierend-gestaltende (theatralische) Elemente und setzt allein auf die Wirkung der Montage. Montage - das ist das große Schlüsselwort im Schaffen dieser Generation russischer Filmemacher und ihr entscheidender Beitrag zur Filmgeschichte.
Vertov hatte mit ihr nichts Geringeres vor als die Schaffung einer echten internationalen Sprache des Films. Dass es ihm gelungen ist, zeigt die anhaltende Rezeption seines Hauptwerks »Der Mann mit der Kamera«, was zugleich der letzte von ihm gedrehte Stummfilm war. Es ist ein filmisches Manifest, von dessen avantgardistischem Wagemut das Kino als Kunstform bis heute zehrt.
Dziga Vertov ist neben Wladimir Majakowski der russische Avantgardist der ersten Stunde. Bereits 1917, im Jahr der Oktoberrevolution, beginnt er, zuerst theoretisch dann praktisch, das herkömmliche Kino zu attackieren. Wochenschauen, gefilmte Flugblätter entstehen. Allesamt erste Versuche, hinter das Geheimnis des „Kino-Auges“ zu kommen.
Vertov fasziniert die Möglichkeit des Films, menschliche Wahrnehmung zu irritieren, mit den Konditionierungen des Sehens zu spielen. Propaganda und Aufklärung - beide Komponenten sind in den Filmen des überzeugten Kommunisten kaum zu trennen. Jedes einzelne Werk atmet geradezu den Geist jener Jahre, den Enthusiasmus, eine Gesellschaft und deren Kunst im Gleichklang zu revolutionieren.