The Station Agent

Drama/Komödie, USA 2003, 88 min

Manchmal gibt es Filme, die so tief berühren, die so ehrlich und wahr sind, dass man sich wünscht, sie möchten nie zu Ende gehen. Die leise amerikanische Komödie »The Station Agent« von Autor/Regisseur Thomas McCarthy ist ein solcher.
Wenn Einsamkeit einen Namen hat, dann lautet er Newfoundland, ein abgelegener Ort in New Jersey. Und wer hier ein heruntergekommenes Bahnwärterhäuschen vor toten Gleisen und verrosteten Zügen zu seinem Domizil wählt, hat mit der Welt abgeschlossen. Schnell meint man zu verstehen, warum Fin McBride sich diese Öde ausgesucht hat. Er liebt Züge, muss er ja, denn er repariert Modelleisenbahnen und sieht Super-8-Filme, gedreht von Eisenbahnfanatikern, die beliebigen Zügen nachfahren und sie dabei filmen. Dass dies für Fin jedoch mehr als Hobby oder Leidenschaft, nämlich Ersatzliebe ist, wird klar, wenn wir sein Leid entdecken: Er ist nur 1 Meter 35 groß. Ein Kleinwüchsiger also, der regelmäßig ignoriert oder übersehen wird: Im Supermarkt oder in Bars, der von Jugendlichen wieder und wieder angemacht wird und den sogar Kinder hänseln. Natürlich entfernt sich so einer irgendwann von den Menschen und richtet sich in seiner Einsamkeit ein.
Fins Plan, in einem geerbten Bahnwärterhäuschen zu wohnen, den ganzen Tag Züge zu beobachten und historische Fahrpläne zu studieren, geht nicht auf. Denn völlig überraschend bricht das Leben in seine Abgeschiedenheit in Form des jungen und besonders lauten Cubaners Joe und der liebenswerten, aber einsamen Olivia.
Wie sich diese drei grundverschiedenen Menschen, denen nur ihre Einsamkeit gemeinsam ist, anfreunden und sich gegenseitig den Rücken stärken, wird mit Leichtigkeit, mit intelligentem Witz und Humor erzählt. Es gibt keinen Moment in McCartys Erstlingswerk, in dem man bezweifelt, dass er um das Gefühlsleben seiner Figuren und damit auch um das seiner Zuschauer Bescheid weiß. Man vertraut ihm einfach, denn er weiß so viel von dem, was er erzählt. Da gibt es keine Klischees, keine kitschigen oder überzogen komischen Momente. Komik entsteht bei McCarthy an der Schnittstelle von Schmerz und Wahrheit.
Als gelernter Schauspieler kann McCarthy sein Ensemble genauestens führen, damit es das vermittelt, worum es ihm geht: Es ist nie zu spät für ein Leben in Gesellschaft von Menschen. Man muss es nur zulassen.
Noch zu erwähnen ist die hervorragende Besetzung. Allen voran die unwiderstehliche Patricia Clarkson als depressive Olivia, die gerade für ihre Rolle in »Pieces of April« OSCAR nominiert war. Aber auch Peter Dinklage, dessen Augen seinen tiefen Schmerz direkt auf die Leinwand zu projizieren scheinen, ist eine Offenbarung. Der Film, bei dem der deutsche Kameramann Oliver Bokelberg unaufdringlich schöne Bilder gemacht hat, wurde weltweit mit Preisen überhäuft - in diesem Fall sogar zu Recht.
Christoph Brandl