Shandurai und der Klavierspieler

Drama, Italien 1998, 93 min

Dass die italienisch-englische Gemeinschaftsproduktion von Bernardo Bertolucci aus dem Jahre 1998 erst jetzt in die Kinos kommt, liegt schlicht und einfach daran, dass sie mehr als ein Meisterwerk ist. Ursprünglich war der Film als europäische Fernsehproduktion gedacht, bei seiner Fertigstellung aber wurde klar, dass er eine der besten Regieleistungen der letzten Jahre ist und somit die Dimension der Mattscheibe bei weitem sprengt. Um so unverständlicher ist es eigentlich, dass sieben Jahre gebraucht worden sind, um einen weltweiten Verleih auf die Beine zu stellen. Aber es hat sich gelohnt!
Die Geschichte, die der Film erzählt, geht auf eine Shortstory des englischen Schriftstellers James Lasdun zurück. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Frau - Shandurai, die in einer ostafrikanischen Diktatur mit ansehen muss, wie ihr politisch engagierter Mann von der Polizei verschleppt wird. Sie flieht nach Italien und beginnt in Rom Medizin zu studieren. Ihren Lebensunterhalt verdient sie fortan als Haushälterin eines Pianisten. Jason Kinsky hat einen Palazzo in der ewigen Stadt geerbt und genießt darin sein zurückgezogenes Leben. Ein bisschen Geld verdient er mit Klavierstunden. Jason verliebt sich in die junge, selbstbewusste Frau und erfährt eine schroffe Ablehnung. Gleichzeitig gibt ihm Shandurai aber ein Versprechen - und das ist dann auch schon die ganze Handlung des anderthalbstündigen Filmes. Der dabei weitestgehend ohne jeden Dialog auskommt. Bertolucci hat es geschafft, seine Geschichte über opulente, poetische Bilder und mit Hilfe eines sehr subtilen Einsatzes der Filmmusik zu erzählen. Diese ist dabei weit mehr als eine Untermalung. Sie wird vielmehr Bestandteil des erzählten Geschehens und stellt somit so etwas wie eine zusätzliche Figur dar. Der Regisseur zieht sein Publikum mit sicherer Hand und viel Geschick in die Psychologie seiner Figuren hinein. Er hat eine großartige Arbeit geleistet, die von seinen beiden Hauptdarstellern wundervoll getragen wird. Shandurai wird von Thandie Newton dargestellt. Die vielseitige, junge Frau hat bisher an der Seite von Nicole Kidman und in »Interview mit einem Vampir« mit Tom Cruise, Brad Pitt und Kirsten Dunst gespielt. Diese und andere ihrer vielseitigen Erfahrungen setzt sie hier kongenial um. Sie spielt einfach großartig und preiswürdig. Genauso beachtenswert ist David Thewlis in der Rolle des Mr. Kinsky. Der Mann kommt aus dem Theater und hat sich als Shakespeare-Darsteller einigen Ruhm verdient. In diesem Film aber tritt die Sprache ganz vor dem körperlichen Spiel zurück und er meistert diese Herausforderung herausragend.
Bernardo Bertolucci, der Schüler Pasolinis, gilt seit langem als Altmeister. Für diesen Film aber ist der Superlativ Meisterwerk fast schon ein bisschen zu klein - zu kitschig. Da muss ein neuer Begriff gefunden werden. Es ist einfach mehr als großartig, wie der Mann seine hochdramatische Geschichte leise und mit einem unendlichen und ganz fein abgestimmten Humor und gleichzeitig grenzenloser Liebe zum Stoff erzählt. Der Oscar dürfte für diesen Film zu unbedeutend sein.