Halt auf freier Strecke

Drama, Deutschland 2011, 110 min

Filmtitel und Thema verheißen nichts Gutes, im Gegenteil, die Palette reicht von heiklen Unannehmlichkeiten bis zu völliger Verzweiflung. Franks Zug hält im Niemandsland zwischen Leben und Tod. Das eine ist noch nicht geendet und das andere hat längst begonnen. Der diagnostizierte, bösartige Tumor im Kopf des Familienvaters wäre wohl (abgesehen vom Tod) das schlimmste zu erwartende Übel auf der Leinwand…, stünde nicht Andreas Dresens Name auf dem Filmplakat und damit seine zur atemberaubenden Perfektion geronnene Kunst des Doku-Dramas.
Dresens aktuelles Thema: die Entmündigung eines erwachsenen Menschen durch eine Handvoll Glio-Blastom-Gewebe. Feindliche Übernahme, sozusagen, bei vollem Bewusstsein. Milan Peschels Frank hockt irgendwo auf der halben Treppe seines Lebens und ringt um Fassung. Im Sprechzimmer des behandelnden (echten!) Arztes, eines Amateurs sozusagen, sitzt er mit Steffi Kühnert als Ehefrau Simone wie zur Urteilsverkündung, und kann nicht verbergen, dass ihm der Arsch mehr und mehr auf Grundeis geht. Verblüfft stellt Frank in den darauf folgenden Tagen fest, dass ihm nicht einmal mehr alltäglichste Verrichtungen ohne emotionale Entgleisungen gelingen. Als hätte ihm einer bei voller Fahrt die Zügel aus der Hand genommen. Gerade das tägliche familiäre Ein und Aus, Andreas Dresens liebstes Schlachtfeld, wird dabei massiv angegriffen. Und das nervt. Beklommen versucht hier jeder den Fakt zu überspielen, dass die Fähigkeit zur Sterbefürsorge in der modernen Familie nahezu verkümmert ist. Die Tatsache, dass der Sterbende nunmehr angewiesen ist auf den Gnadenstoß von innen, dieser permanente Schwebezustand, ist die perfekte Versuchsanordnung für einen „echten Dresen“.
alpa kino