Cirkus Columbia

Was war eigentlich vor dem Krieg? Der sich das fragt, hat mit »No Man's Land« 2001 einen Oscar gewonnen. Der neue Film von Danis Tanovic spielt 1991 in Bosnien-Herzegowina. Die darin erzählte Geschichte ist allerdings nicht seine eigene, sie stammt wie der gleichnamige Roman von Ivica Ðikic. Es ist eine komplexe Handlung, bei der die Katze Bonny, der junge Amateurfunker Martin, ein Rückkehrer aus Deutschland und ein Kettenkarussell eine Rolle spielen. Und die Politik natürlich. Die einen bleiben für immer überzeugte Kommunisten, andere werden zur Tarnung Serben und „die Buntics haben früher für Kroatien gekämpft“. Die Frage, warum kurz darauf Nachbarn auf Nachbarn schossen und Freunde auf Freunde, kann der Film natürlich auch nicht erschöpfend beantworten, aber anhand der Familie Buntic kann man vieles erahnen. Vater Divko kehrte vor 20 Jahren Heimat und Familie den Rücken und kommt nun mit einer neuen Freundin zurück. Er reklamiert das Haus für sich, in dem seine Frau Lucija und der Sohn Martin leben. Martin beschreibt die Beziehung von Divko und Lucija so: „Es ist eine Romeo- und Julia-Geschichte, nur dass sie überlebt haben und sich jetzt hassen.“ Divko scheint sowieso nur seine Katze Bonny zu lieben, die ziemlich zu Anfang des Films verschwindet und von der einen Hälfte des Dorfes - für D-Mark-Finderlohn - gesucht wird, während die andere sich über den Heimkehrer lustig macht. Divko steht mit der Sehnsucht nach seinem Glücksbringer Bonny und seiner kindlichen Freude am Kettenkarussell für all die Verluste der Menschen in Bosnien: Heimat, Liebe, Jugend - alles weg, und Ersatz ist nicht zu finden.
Erzählt wird mit viel Liebe für die Figuren, viel Witz und kluger Dramaturgie, die die Spannung greifbar macht kurz vor Kriegsausbruch: Alles ändert sich, alle rüsten sich, und doch will keiner an einen Krieg glauben. Eifersucht, Gier und Angst, das war vor dem Krieg - und das sind die Wurzeln jeden Krieges, glaubt Tanovics und zeigt uns einiges davon.
Petra Wille
Petra Wille