Lore

Drama, Deutschland/Australien/Großbritannien 2012, 109 min

Überwältigende Naturaufnahmen, bezopfte Mädchen in schönen Kleidern, Bilder wie in Grimms Märchen. Fünf Kinder ziehen durch das zerstörte Endkriegsdeutschland. „Täterkinder“, die Eltern hochrangige Nationalsozialisten. Nach deren Verhaftung hat die fünfzehnjährige Lore die alleinige Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister. Der physischen Odyssee entspricht die Verwirrung im Kopf des Mädchens. Ihr fest gefügtes nationalsozialistisches Weltbild hält den Tatsachen nicht stand, den Spuren der Zerstörung, den Hinweisen auf die Judenvernichtung. Da ihr alles ins Wanken gerät, hält sie daran scheinbar um so zäher fest. Ein junger Mann, dem KZ entkommen, schließt sich der Kindergruppe an und beschützt sie. Lore begegnet ihrer eigenen aufkeimenden Zuneigung mit Trotz und Ablehnung. Die australische Regisseurin Cate Shortland erzählt die Geschichte nach dem Buch „Die dunkle Kammer“ der deutsch-australischen Autorin Rachel Seiffert konsequent aus kindlicher Perspektive. Ihre Filme kreisen um das Erwachsenwerden von starken jungen Mädchen in außergewöhnlichen Situationen. Für »Sommersault« bekam sie dafür 2004 einen Preis in Cannes. Die suggestiven märchenhaften Bilder von »Lore« erinnern an die Arbeiten Jane Campions. Sie lassen die harten Tatsachen noch grausamer erscheinen. Das Mädchen an der Schwelle zur Adoleszenz wirkt wie ein besonders furchtloses Rotkäppchen auf dem Weg in die letzte dunkle Kammer. Die Reise ist weit. Am Ende steht die Erkenntnis, dass nichts eindeutig ist. Das gilt es auszuhalten.
Grit Dora