Die Libelle und das Nashorn
Hach, da weiß man gar nicht, ob man lieber Mario Adorf sein will, der mit der vor Ideen sprühenden Fritzi Haberlandt zwangsweise eine Nacht im selben Hotel verbringt oder Fritzi Haberlandt selbst, die den zunächst selbstgefälligen Mario Adorf aus der Reserve lockt. Die Konstellation ist die einer romantischen Komödie, auch die dafür notwendigen Zutaten sind vorhanden, nur eine Liebesgeschichte wird nicht erzählt - oder vielleicht ein kleines bisschen? Diese Unklarheit ist wunderbar so, denn dadurch lässt Autorin und Regisseurin Lola Randl (»Die Besucherin« und die herrlichen Kurzfilme mit Herrn Karpf) Platz für ganz und gar überraschende Situationen, die immer anders als erwartet weitergehen.
Ein gefeierter Schauspieler und eine junge Nachwuchsschriftstellerin treffen bei einer Lesung aufeinander, bei der er seine Autobiografie vorstellt und sie ihren ersten Roman. Ein Interesse aneinander ist eigentlich nicht vorhanden, Nino ist mehr der Typ arroganter alter Sack und Ada entspricht weder gängigen Schönheitsidealen noch schwärmt sie ihn an. Doch der Zufall will es, dass die beiden eine Nacht im selben Hotel verbringen müssen. Bereits das erste längere Gespräch an der Hotelbar wird zum Schlagabtausch abstruser Ideen, meist durch Adas spontane Einfälle initiiert. Zwischendurch werden auch persönliche Befindlichkeiten angesprochen. Sie erzählt „Mein Freund hat heute mit mir Schluss gemacht“, er erwidert „Unsere Katze ist weggelaufen“.
Dann beginnen sie mit einem Detektivspiel: „Mr. Kimberly, ich habe einen Auftrag für Sie, den Sie nicht ablehnen können.“ Es folgt ein nächtlicher Streifzug durch eine namenlose Stadt (von Philipp Pfeiffer ganz wunderbar fotografiert), mit typischer Film-Noir-Musik unterlegt. Immer neue Orte und Ideen werden von den beiden gegensätzlichen Charakteren in dieser schlaflosen Nacht - in die eine Stromabschaltung zusätzliche Dynamik bringt - erobert, immer wieder stellen sie sich neue Fragen, provozieren sich oder verraten sich persönliche, gar intime Geheimnisse.
Natürlich erinnert hier vieles an „Lost in Translation“. Doch handelt es sich nicht um ein deutsches Plagiat, sondern gleichfalls um eine Geschichte von zwei Menschen, die sich außerhalb dieses merkwürdigen, überbordend dekorierten Hotels niemals so nahe gekommen wären. Außerdem ist „Die Libelle und das Nashorn“ in seinem Humor viel anarchischer, weil Fritzi Haberlandts Ada so undamenhaft und total unberechenbar ist. Gleichzeitig ist sie auch unglücklich und zergrübelt. Nino hingegen ist ein gestandener Mann, der ganz neue Seiten an sich zu entdecken und zu lieben scheint.
Petra Wille
Petra Wille
Buch: Lola Randl
Regie: Lola Randl
Darsteller: Mario Adorf, Fritzi Haberlandt, Irm Hermann, Maria Faust, Rainer Egger, Samuel Finzi, Lina Beckmann, Bastian Trost, Sebastian Weber
Kamera: Philip Pfeiffer
Musik: Maciej Sledziecki
Produktion: COIN Film, Herbert Schwering
Bundesstart: 06.12.2012
Start in Dresden: 06.12.2012
FSK: o.A.