Camille - verliebt nochmal

Komödie/Drama, Frankreich 2012, 115 min

Tag der Katastrophe: Camille, die erfolglose Schauspielerin mit dem kleinen Alkoholproblem, wird nach 25 Ehejahren Knall auf Fall von ihrem Mann Eric verlassen - selbstredend für eine jüngere Dame. Das Mitleid ihrer fast erwachsenen Tochter hält sich in Grenzen, der ist die bevorstehende Silvesterparty ohne Maman das wichtigste Nahziel. Die fesche Vierzigerin tritt die Flucht nach vorn an, gibt dem treulosen Gemahl Saures und nutzt den Jahreswechsel ohne Tochter als Gelegenheit, sich gnadenlos die Kante zu geben. Sie erwacht im Krankenhaus, um festzustellen, dass sie selbiges nur in Begleitung ihrer Eltern verlassen darf. Dass die schon lange tot sind, kauft ihr die Krankenschwester nicht ab, zumal die Altvorderen auch gleich leibhaftig vor ihr stehen. Offensichtlich ist der forcierte Alkoholmissbrauch in eine kleine Zeitreise gemündet. Camille ist im Jahr 1985 gelandet, kurz vor ihrem 16. Geburtstag. Also folgt sie ihren Erziehungsberechtigten nach Hause, streift sich den kanariengelben Walkman über und geht wieder zur Schule. Dort wartet schon Eric…
Noémie Lvovsky spielt und tanzt sich als die reife Frau, die sie ist, auf unglaublich erheiternde Art und Weise durch diese sehr französische Zeitreise. Während sie und die Zuschauer jederzeit die Vierzigjährige vor Augen haben, nehmen sie die handelnden Personen ganz selbstverständlich für eine Fünfzehnjährige. Dieser Widerspruch sorgt für rasend komische Situationen, sei es beim Versuch, an Zigaretten und Alkohol zu kommen, beim Dancing mit Freundinnen, im Gespräch mit den Eltern oder dem ersten Rendezvous mit der Teenager-Version ihres Mannes. Und natürlich geht es um die große „Was wäre, wenn…“-Frage.
Camille versucht, ihre zweite Chance zu nutzen, sie will Mutters tödlichen Schlaganfall verhindern und Erics Avancen ausweichen. Aber würde man wirklich komplett andere Wege gehen, wenn man seine Jugend ein zweites Mal durchstehen dürfte oder müsste? Noémie Lvovskys Film macht auf charmante Weise deutlich, dass wilde Neuanfangsgelüste vor allem eins sind: Phantastereien. Schließlich gibt es so was wie persönliche Grenzen.
Grit Dora