Das Mädchen und der Tod

Drama, Niederlande/Deutschland/Russland 2012, 127 min

Ein alter Mann auf der Reise in die Vergangenheit. Nicolai kehrt nach einem halben Jahrhundert zurück an den Ort, wo er die Liebe seines Lebens traf. In Rückblenden entfaltet sich in schön morbiden Bildern die Geschichte seiner Sehnsucht. Der niederländische Regisseur Jos Stelling liebt die Romantik und Dekadenz des 19. Jahrhunderts. Seinen neuen Film drehte er auf dem verfallenen Schloss Tannenfeld in Thüringen nah bei Gera. Das Lahmann-Sanatorium wäre eine mindestens ebenso geeignete Kulisse gewesen, schade eigentlich, dass ihm das keiner gesagt hat. Wer weiß schon, ob Lahmanns Kureinrichtung nicht auch eine Mischung aus Sanatorium und Bordell war. Nicolai, der mittellose Medizinstudent gerät jedenfalls in solch ein „Hotel“ und trifft Elise, die lungenkranke Kurtisane. Nein, es handelt sich nicht um die „Kameliendame“, der Film spielt in Russland. Parallelen gibt es schon, es geht um die ewige unmögliche Liebe, behindert von Materialismus, Reichtum und tödlichen Bedrohungen. In einem überraschenden Finale prallen Vergangenheit und Gegenwart aufeinander. Stelling arbeitet wie ein Maler, er verlässt sich souverän auf die Kraft der Blicke und Perspektiven, Kino ist Bild, so sein Credo. Gesprochen wird bei ihm wenig. Dieter Hallervorden darf erstaunlicherweise einen Erzbösewicht verkörpern und macht seine Sache gut. Vermutlich hängt das mit Stellings Arbeitsweise und Fokus zusammen. Wenn man Didi in »Das Mädchen und der Tod« gesehen hat, erscheint es plötzlich vorstellbar, ihn auch als „König Lear“ zu besetzen. Der Querdenker Jos Stelling kommt auf so irre gute Ideen.
Grit Dora