Sâdhu
Eine Grotte im Himalaya auf 3.200 Höhenmetern ist seit acht Jahren das Zuhause des Sâdhus Suraj Baba. Täglich meditiert er am Ufer des Ganges und praktiziert Yoga. Die hagere Gestalt mit den langen Haaren und dem verwilderten Bart scheint die gängigen Klischees der heiligen Männer Indiens zu bestätigen, die sich der Armut und Keuschheit verschreiben und zurückgezogen nach innerer Wahrheit und Erleuchtung suchen. Aber Suraj Baba ist anders: Wenn er Englisch spricht, seine Brille aufsetzt und zur Akustikgitarre selbst geschriebene Folksongs singt, ähnelt er eher dem jungen Cat Stevens.
Was ist ein Heiliger? Was gelebte Spiritualität? In der Vorstellung des säkularisierten Westens, der das Vernunftdenken zu seiner Maxime erhoben hat, sind Antworten auf diese Fragen nicht erst seit den Hippies der späten Sechziger in Indien zu suchen. Schon Hermann Hesse und sogar Goethe interessierten sich für die indische hinduistische Kultur und ihre tief im Alltag verankerte Versenkung im Glauben. Auch Gaël Métroz wandelt in seinem Film auf den Spuren dieser Sehnsucht nach überweltlichem Sein - und hinterfragt sie gleichzeitig durch seinen Hauptdarsteller. Denn dieser Suraj Baba, Sohn einer bürgerlichen Familie, der fließend Englisch spricht, Hesse liest und westliche Musik liebt, ist keineswegs frei von Widersprüchen. Offenherzig spricht er von seinen inneren Kämpfen, von seinen Ängsten und Unsicherheiten. Suraj Baba betreibt zwar Askese und Yoga, ist aber doch auch Teil unserer Welt und ihrer Uneindeutigkeit. Die Suche nach der Wahrheit zählt, nicht das geglaubte Wissen darum.
Der Regisseur erzählt seinen Film durch Bilder, die in sich selbst durchlässig und für Interpretationen offen sind. Je weiter der Weg führt, je höher es ins Gebirge geht und je mehr Suraj Baba wieder auf sich selbst zurückgeworfen wird, desto näher kommt ihm Métroz‘ Kamera. Das Ringen um den eigenen Weg schreibt sich diesen fast psychedelisch wirkenden Bildern ein.
Oliver Kaever, programmkino.de
Regie: Gaël Métroz
Darsteller: Suraj Baba
Kamera: Gael Metroz
Musik: Julien Pouget
Produktion: Radio Télévision Suisse (RTS), Tipi’mages
Bundesstart: 22.08.2013
Start in Dresden: 22.08.2013
FSK: o.A.