Imagine

Drama, Polen/Frankreich/Portugal/Großbritannien 2012, 105 min

Nur glauben zu wollen, was man mit eigenen Augen gesehen hat, ist ein Privileg. Ein Privileg der Sehenden. Und auch ein fauler Kompromiss. Ian unterrichtet blinde Menschen darin zu glauben, was ihr 7. Sinn ihnen sagt. Als neuer Orientierungs-Lehrer in einer angesehenen Klinik in Lissabon möchte er die Vorstellungskraft der Patienten schulen, möchte sie wieder neugierig machen. Doch zuerst muss Ian, der selbst blind ist, ihnen ein wenig auf die Sprünge helfen. Sein Trick ist einfach; Echo-Ortung mittels Zungeschnalzen oder Fingerschnippen. Er trägt auch schwere Schuhe, denn jedes Geräusch offenbart die physikalische Beschaffenheit der Dinge im Raum. Vielleicht ist es nicht so zuverlässig wie Ultraschall, aber es genügt, um Ians Schüler zu faszinieren. Und sie aus der Reserve zu locken. Besonders beeindruckt zeigt sich die verschlossene Eva, die von ihrem Fenster aus, Ians Kunststücke „beobachten“ kann. Ihr gefällt sein souveräner Tonfall, und bald mag sie auch die gemeinsam Ausflüge. Schnell lernt sie den nächsten Schritt zu gehen; sie lässt die Fantasie den Raum ausgestalten, der sich zwischen den einzelnen Objekten erstreckt. Es ist wie Kino im Kopf. Eine Welt entsteht, wo vorher nur Leere war. Regisseur Andrzej Jakimowski, der bereits mit »Kleine Tricks« einen sinnlich sehr aufmerksamen Film ablieferte, reagierte hier auf die beeindruckenden Erfahrungen, die er im Umgang mit Blinden sammeln konnte. Er wollte zeigen, welchen Mut es braucht, nicht an jedem kleinen Hindernis zu stoppen. Ians Schüler holen sich Schrammen aber er lässt sie weiter Neugier saufen. Ob es wirklich ein großes Schiff im Hafen gibt? Einen Hafen, überhaupt? Der Klinikleitung erscheinen die Ausflüge bald zu gefährlich, und so schicken sie Ian wieder fort. Die Bewunderung schlägt bei einigen um in Enttäuschung. Sie nennen ihn einen Lügner. Und das können sie auch beweisen, doch dazu müssen sie quer durch die Stadt. Zum Hafen.
alpa kino