Der letzte Mentsch

Drama, Deutschland/Schweiz/Frankreich 2014, 93 min

Es gibt Menschen, die ihr Jüdischsein beweisen müssen? Wie das denn? Ein Nachweis besteht nach jüdischen Gesetzen in einer Geburtsurkunde der Mutter oder der Großmutter mütterlicherseits. Auch eine Eheschließungsurkunde der Eltern wird anerkannt. Aus vielen Gründen besitzen Überlebende des Holocaust solche Papiere oft nicht mehr: Sie gingen verloren oder wurden bewusst vernichtet. Dann können Familienfotos oder Grabsteine auf einem jüdischen Friedhof weiterhelfen. Ein Nachweis wird dann benötigt, wenn jemand auf einem jüdischen Friedhof begraben werden möchte. So wie Marcus Schwartz (Mario Adorf). Er ist alt und denkt in letzter Zeit oft an den eigenen Tod. Nach vielen Jahren des Verdrängens und Vergessens ist ihm seine jüdische Identität wieder wichtig geworden. Sein richtiger Name ist Mena’hem Teitelbaum, doch für den Rabbi beweist das nicht, dass er wirklich Jude ist. Der redet viel von Regeln und Bürokratie, und hilft kein Stück weiter. Also macht sich Marcus auf den Weg nach Ungarn, wo seine Familie herstammt. Durch Zufall gerät er an die junge Deutschtürkin Gül (Katharina Derr), die ihn im Auto mitnimmt.
Gül ist mehr als rotzig und zudem ziemlich ungebildet. Ihrem Vorschlag, Marcus sollte einen Bluttest machen, um beweisen können, dass er Jude sei, widerspricht Marcus freundlich. Überhaupt ist er meist charmant und gewitzt. Er kann jedoch auch zynisch werden, zum Beispiel wenn er ein weiteres Mal einem bürokratischen Rabbi gegenüber sitzt: „Die Nazis haben es nicht geschafft, mich umzubringen, ihr schafft es noch!“ Für Gül bringt die Reise einen enormen Lernprozess, und auch Marcus erreicht sein Ziel. Einige Wendungen in dem Roadmovie sind leider etwas irritierend geraten, und Hannelore Elsner als alte, blinde Ethel wirkt seltsam verkleidet.
Doch der jüdische Franzose Pierre-Henry Salfati inszenierte in der Tragikomödie einige wirklich starke, nachwirkende Szenen: In einem Hotel in Budapest sucht Marcus das Gespräch mit einer Nachfahrin der früheren Hotelbesitzer. Er erinnert sich an sie, sie sich aber - angeblich - nicht an ihn. Er berichtet von seinen Eltern, die gerne dort arbeiteten, bis ihr Großvater sie an die Gestapo verriet. Auch seine Erinnerungen, als er sich nach unwilligem Zögern schließlich doch vor eine Kamera der Shoa Foundation von Steven Spielberg setzt, sind sehr bewegend. Die komplizierte Liebesgeschichte zwischen Gül und dem Foundation-Mitarbeiter Arnold ist hingegen ziemlich überflüssig.
Petra Wille