TRAILER

Lieber Thomas

Drama, Deutschland 2021, 157 min

Wer kennt heute noch Thomas Brasch, das Enfant terrible der deutsch-deutschen Literatur? Immer unangepasst, immer auf der Suche. In der DDR eh und je angeeckt, exmatrikuliert und seine Werke unveröffentlicht. In der Bundesrepublik nach der Ausreise nie richtig angekommen. Oder, wie Brasch es in seinem Stück „Papiertiger“ selbst beschreibt: „Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber/wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber/die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber/die ich kenne, will ich nicht mehr sehen, aber/wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber/wo ich sterbe, da will ich nicht hin:/Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.“
Als eine Art Zwischentitel gliedern diese Zeilen auch den 150-minütigen Film von Regisseur Andreas Kleinert und Drehbuchautor Thomas Wendrich, die dem Autor nahekommen wollen, dabei aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Absolutheit erheben. Es soll ein Film über Brasch sein, nicht der ultimative Brasch-Film. Er soll neugierig machen. Und das schafft er auch. Auch wenn die eine oder andere Minute hätte gestrichen werden können, wird es trotz der Länge nicht langweilig. Denn: Die DDR ist hier nicht die tristgraue Welt, die uns aus anderen Filmen entgegennebelt. Im Gegenteil: Hier wird getanzt, gevögelt, getrunken. Die Erzählweise könnte direkt dem Kopf von Brasch entspringen und man oder frau weiß manchmal erst nach Minuten, ob hier filmische Realität oder niedergeschriebene Fiktion oder gar Wahn gemeint ist. Zudem brilliert Albrecht Schuch in einer zerrissenen Männerrolle, begleitet von ebenfalls wunderbaren Schauspieler:innen wie Jella Haase oder Jörg Schüttauf. Auch ohne Hintergrundwissen eine sehenswerte Annäherung in Schwarzweiß an einen viel zu schnell vergessenen Charakterkopf.
mana