Der Zeuge
Das Böse ist banal. Und seine Beschreibung in keinster Weise unterhaltsam. Aus dem erklärten Bestreben der Nationalsozialisten, sich ein makellos sauberes, absolut gehorsames und klinisch gesundes Volk zu erschaffen, entstand eine durch und durch böse „Volksgemeinschaft“. Denn die direkte Folge war, sich allen „Drecks“, aller „Widerständler“ sowie aller in der Folge als „unarisch“ bezeichneten „Elemente“ zu entledigen. Entledigen durch Verfolgen. Verhaften. Konzentrieren. Um auszubeuten. In eigens dafür erdachten Arbeitslagern. Politisch und wirtschaftlich eine win-win-Situation. Schnell wird in diesen Lagern Erniedrigen, Misshandeln und Töten zur Normalität. Nachschub ist nie das Problem. Der bereits 1934 ins KZ Lichtenburg gebrachte Kleinkriminelle Carl Schrade, geboren 1896 in Zürich, schrieb nach dem Krieg seine Erinnerungen nieder. Zu dieser Zeit, während des Flossenbürg-Prozesses 1946 in Dachau, war Schrade als Zeuge geladen und sollte seitens der Verteidigung diffamiert werden als BV (Berufsverbrecher), als grüner Kapo, dessen Aussagen wohl kaum dazu geeignet wären, eine belastbare Grundlage von Verurteilungen bilden zu können.
Bernd Michael Lade, dem Schrades Erinnerungen (»Elf Jahre« Wallstein Verlag, die-verleugneten.de) zufällig in die Hände fielen, ergriff nun die Gelegenheit, ihm und allen Opfern des Nationalsozialismus ein filmisches Denkmal zu setzen. Carl Schrades Leidensweg führte auch durch die KZs Esterwegen, Sachsenhausen, Buchenwald und Flossenbürg. Daher reiht seine kompromisslos sachlich inszenierte Zeugenaussage viele jener Grausamkeiten auf, wie sie links und rechts dieses Weges stattgefunden haben und wie sie seither zum kollektiven Gedächtnis gehören. An einer Stelle schleicht sich das Lied von den Moorsoldaten bereits ins Hirn, ehe Schrade noch von Johann Esser oder Rudi Goguel zu sprechen beginnt. Und unablässig schieben sich Bilder, auf die der Film selbst ganz bewusst verzichtet, zwischen das Gesagte…
Regisseur Lade belässt es bei den Aussagen und vertraut ganz auf das Unsagbare. So verschafft er dem Zuschauer reichlich Raum zum Nachdenken; ein großer Teil von Deutschlands Wohlstand beruht ganz banal auf einem Sklaven haltenden Terrorregime, in dem selbsternannte „Sozialisten“ den „arischen” Kapitalisten, sowie unzähligen „Handtaschendieben“, Mitläufern und Mördern halfen, ihre, und nicht zuletzt die eigenen Taschen zu füllen.
alpa kino
Buch: Bernd Michael Lade
Regie: Bernd Michael Lade
Darsteller: Bernd Michael Lade, Maria Simon, Lina Wendel, Ilse Koch, Torsten Spohn, Simone Hausdorf, Hans Hendrik Trost
Kamera: Guntram Franke
Musik: Michael Kobs
Produktion: MARUTO Filmproduktion, Esther Friedemann, Maria Simon, Guntram Franke
Bundesstart: 02.03.2023
Start in Dresden: 02.03.2023
FSK: ab 12 Jahren