Wild
Oh…, könnte man doch wie wild über diesen Film schreiben! Ohne dabei auch nur ein Sterbenswörtchen zu verraten. Könnte man dem Zuschauer die Augen verbinden und ins Kino führen. Ihn dort freilassen. Im dunklen Saal den Blick freigeben, wo er seinen Instinkten folgen und eine Witterung aufnehmen könnte, die man selten antrifft im deutschen Kino.
Ania (Lilith Stangenberg) ist einsam. In einer konturlosen Stadt hockt sie über einer nichts sagenden Tastaturarbeit. Der Chef (Georg Friedrich) ein ewig grantelnder Klotz, grau die schmale Belegschaft und die Arbeit irgendwas mit Mode-Marketing. Als Anias Schwester und deren Freund ausziehen, fühlt sich Ania der leeren Wohnung irgendwie ausgeliefert. Scheinbar hilflos, wie sie auch dem absehbaren Ende ihres Großvaters gegenübersteht, an dessen Pflegebett. Um so willkommener wirkt Anias wilde Entschlossenheit, nachdem sie in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Behausung Auge in Auge stand mit einem Wolf. Dessen bernsteinfarbener Blick weckt bei der jungen Frau eine Sehnsucht aufs Leben. Erst lockt sie ihn. Dann fängt sie ihn. Und im Schutze der Nacht trägt sie ihn in ihre leere Wohnung. Als sei die Gegenwart des Tieres ihre einzige Möglichkeit, dem bisherigen Dasein zu entfliehen. Anfangs belauern sich beide, durch geschlossene Türen halbwegs getrennt, doch Ania lässt bald schon alle zivilisatorischen Konventionen fahren. Gemeinsam reißen sie Wände ein. Die verlockende Aussicht auf Verwandlung möchte sie sich nicht durch die Lappen gehen lassen… Souverän spielt Regisseurin Nicolette Krebitz mit mittelgroßen Grenzverschiebungen zwischen Mensch und Tier mit der Irritation um liebenswerte, wilde Vierbeiner und mit der einhergehenden Verwilderung einer Frau. Welches Maß an betonbefensterten Teppichboden-Bürolebens jeder Einzelne bereits inhaliert haben muss, um entweder für immer schockstarr zu sein oder wachsam auf dem Sprung, auch nur der winzigsten Chance auf einen Ausbruch nachgeben zu dürfen; jeder mag sich selbst einfühlen in die Frau. Die buchstäblich auf ihren Job scheißt, nachdem sie sich selbst ihrem Chef direkt untergeschoben hat. Mitsamt ihrer Kündigung. Beides sollte vielleicht ein letztes Lockmittel sein. Welchem er jedoch nicht erliegt. Und so verlässt Ania die Stadt und zieht davon mit ihrem neuen Gefährten.
alpa kino
Buch: Nicolette Krebitz
Regie: Nicolette Krebitz
Darsteller: Lilith Stangenberg, Georg Friedrich, Silke Bodenbender, Joy Maria Bay, Pit Bukowski, Saskia Rosendahl
Bundesstart: 14.04.2016
Start in Dresden: 14.04.2016
FSK: ab 16 Jahren