Desire Will Set You Free

Ein halbwegs talentierter Spinner, ein Amerikaner palästinensisch-israelischer Herkunft, immer auf Party und selten clean, kollidiert im hippen Berlin mit einem Escort-Boy russischer Abstammung, der nicht lange zögert, mit dem Möchtegern-Schriftsteller tief ins Berliner Clubleben einzutauchen. Ezra, den der junge Regisseur Yony Leyser gleich mal selbst spielt, fühlt sich sauwohl unter seinen Paradiesvögeln mit ihren angesengten Federkleidern. Alle machen sie große Pläne, tragen große Biografien und sind notorisch klamm. Aber immer auf den Punkt gestylt. Wie Catharine (Chloé Griffin), die Ezra liebevoll beschattet bei dessen körperlichen Eskapaden. Lust macht dich frei. Liebe macht blind. Wenigstens für den Alltag. Wenn also Sasha (Tim-Fabian Hoffmann) auftaucht, will Ezra neue Parties besuchen, will nicht die alten Drogen, will schnell wissen, wie sich Sasha anfühlt und wie er riecht. Der Taumel erfasst die Stadt und lustige Menschen winken den beiden zu. Wie staunende Betrachter, die um ein Karussell herum stehen, das sich schneller und schneller dreht… Der flotte Yony Leyser marschiert mit seiner Kamera mitten in den Berliner Rummel der Kunst- und Schwulenszene und fast jeder will ein Ticket lösen. Allen voran Rosa von Praunheim, der seine Fittiche wohlwollend um das Projekt schlang, Punkoma Nina Hagen, die Grimassen schnitt, Peaches machte Performance, Rummelsnuff gab Laut, Blood Orange oder Blixa Bargeld zeigten sich und irgendwie waren alle gut drauf. Einem farbenfrohen Großstadt-Rausch gleicht dieser Film, dem es mit Hilfe seiner Unbekümmertheit gelingt, womöglich zu einem echten Zeitdokument zu werden. Zumindest in zwanzig Jahren. Für einen Teil von Berlin und nur unter Leuten, die dabei waren. Regisseur Leyser stopft quasi „sein Berlin“ in eine Flaschenpost und wirft sie weit hinaus in die Spree. Möge der, der sie einst findet, einen ebensolchen Rausch erlangen, wenn er den Berlin-Geist von Ezra und Sasha dann befreit.
alpa kino