Das Tier im Dschungel

Im Jahr 1979, während der Eröffnungsnacht im „Namenlosen Club” in Paris, betrat May (Anaïs Demoustier) die Szene. Sie trug High Heels und rote Strümpfe und eilte über den regennassen Asphalt. Die mysteriöse Türsteherin (Béatrice Dalle) winkte sie in eine Welt des Hedonismus. Begleitet von ihrem Freund Pierre (Martin Vischer) und ihrer Clique erlebte May eine kurze, wilde Ekstase auf der Tanzfläche. Doch dann bemerkte sie John (Tom Mercier) in einem knallroten Oberteil.
 
Er behauptete, sie bereits vor vielen Jahren in einem Sommer getroffen zu haben. Sofort fühlte sich May von diesem „Jungen mit einem Geheimnis” angezogen, der fest davon überzeugt war, dass ihm etwas Außergewöhnliches bevorstand. John bat May, sich ihm anzuschließen, während sie auf dieses Ereignis warteten. Und so verbrachten die beiden die nächsten fünf Jahrzehnte jeden Samstag gemeinsam im Club.
 
In »Das Tier im Dschungel« adaptierte Regisseur Patric Chiha, geboren 1975, die gleichnamige Kurzgeschichte von Henry James. Das Drehbuch, das Chiha zusammen mit Axelle Ropert und Jihane Chouaib verfasste, verlegte die Handlung der Novelle, die größtenteils in einem Londoner Haus stattfand, in einen Nachtclub. Hier pulsierte das Leben. Die Menschen tanzten und feierten, sei es an Weihnachten, Silvester, Geburtstagen oder an einem gewöhnlichen Samstag. Im Großen und Ganzen ist der Film eine lustige Mischung aus der »Black Mirror Episode« „San Junipero“ und meinem Mitbewohner, der grade in diesem Moment mal wieder für 24 Stunden im Berghain verschollen ist.
José Bäßler