Das Zimmer meines Sohnes

Drama, Italien/Frankreich 2000, 99 min

Nanni Moretti überraschte mit seinem neuen Werk in Cannes die Kritikerwelt. Der als eitel und selbstverliebt geltende italienische Regisseur und Linksintellektuelle war bisher für launig-sarkastische Selbstporträts und eher intellektuelle Komödien (Mein liebes Tagebuch) bekannt. Für sein im positiven Sinne konventionelles und emotionsgeladenes Drama über den plötzlichen Tod des Sohnes einer vierköpfigen Familie erhielt er den Hauptpreis in Cannes: die Goldene Palme.
Das Zimmer meines Sohnes fängt gerade so leuchtend an wie ein Home-Video über eine glückliche Familie: Papa (Moretti selbst) ist Psychoanalytiker, Mama arbeitet in einem Verlag, Töchterchen spielt Basketball, der Sohn ist ein liebenswerter Taugenichts, und sonntags fährt man mit dem Auto ins Grüne. Als man schon zu fragen beginnt, was den sonst so pointenlustigen ewigen Autobiografen an einer solchen Dutzendgeschichte interessiert haben möchte, ertrinkt der Sohn bei einem Tauchunfall. Moretti würde sagen: Der Zufall schlägt zu. Fortan löst sich die Familie langsam auf: Der Vater, untröstlich, zerbricht beruflich an seiner Rolle als Tröster, die Mutter türmt ein Schweigen in sich auf, und die plötzlich rabiate Tochter wird von ihren Schulkameradinnen gemieden. Trauer trennt so heftig, wie Liebe vereint, sagt Moretti mit diesem Film - und lässt, welch ein Glück, seine Familie zu einer Art Anfang zurückfinden. Das Zimmer meines Sohnes ist ein exakt erdachter, psychologisch und motivisch reicher, äußerst berührender Film.
Das Zimmer meines Sohnes bemüht weder Tricks noch Doku-Authentizität. „Er ist tot“: Dieser Satz fällt nur ein einziges Mal, kaum hörbar. In seiner Harmonie und eleganten Schönheit wirkt der Film eher unscheinbar. Keine Bilder vom Sterben oder von der Beerdigung, keine Nahaufnahmen von verweinten Gesichtern oder Schmerzausbrüchen. In Nanni Morettis Familiendrama sind es die offenen Fragen und Leerstellen, die nachhaltig bewegen.
Preise: Cannes 2001 - Goldene Palme, FIPRESCI; Italienischer Filmpreis David di Donatello 2001 - Bester Film, Beste Hauptdarstellerin, Beste Music.