Der Boss ist der Patient
Die verrückten Ansichten des Dr. Pétr Nawka
Michalovce - eine triste Kleinstadt im Osten der Slowakei. Hier bestimmen Arbeitslosigkeit, Alkohol und Resignation das Leben. Dennoch, oder gerade deshalb drängt hier eine Gruppe schwer kranker Menschen nach vorn. Martinka, Eva, Rudo und die anderen leiden an Schizophrenie. Wegen ihrer Krankheit sind sie arbeitslos, haben Freunde verloren, mancher die Familie. Heute leben sie von Sozialhilfe oder Rente. Ihr größter Wunsch: aus der Isolation heraus zu kommen, als normale Menschen anerkannt zu werden.
Dr. Pétr Nawka, deutsch-slowakischer Psychiater und Chefarzt der Klinik, schart die Verlierer der Gesellschaft um sich. Er ermutigt sie, offen mit ihrer Krankheit umzugehen und ihr Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen.
Das ist nicht einfach: Obwohl Schizophrenie heute gut behandelbar ist, gilt sie in der Öffentlichkeit als der Inbegriff psychischer Erkrankung. Menschen, die daran leiden, werden als unberechenbar, inkompetent und gefährlich angesehen. Gemeinsam mit dem „Irrsinnig Menschlich e.V.“, dem Verein für Öffentlichkeitsarbeit in der Psychiatrie aus Leipzig, der sich für Verständnis und Toleranz gegenüber Menschen mit psychischer Krankheit engagiert, wollen die Patienten um Dr. Pétr Nawka das ändern. Ihr wichtigstes Arbeitsmittel: eine Videokamera.
Sich ausgerechnet für das Filmemachen zu entscheiden, das hat seinen Grund: Weltweit fühlen sich psychisch kranke Menschen auch durch die Massenmedien diskriminiert, abgestempelt zu Gewalttätern. Mit Hilfe von Kamera und Mikrophon wollen Martinka, Eva, Rudo und die anderen der Öffentlichkeit von ihrem Leben mit Schizophrenie erzählen, wie es wirklich ist, wenn ein Mensch Stimmen hört, halluziniert, starke Ängste und Wahnvorstellungen hat.
Dr. Pétr Nawka ist offen für alles, was seine Patienten stärkt - auch für so ungewöhnliche Experimente wie Filmworkshops. Aufgewachsen als Sohn einer sorbischen Familie in Bautzen, erfährt er schon als Kind, was es heißt, psychisch krank zu sein: Seine Mutter und einige seiner Geschwister leiden an Depressionen. Ihn trifft es als junger Mann.
Nawka setzt bei der Behandlung seiner Patienten auf Vertrauen, Geduld und Partnerschaft. Er bricht mit der Macht des Psychiaters, macht öffentlich, dass auch er psychisch krank war und versucht in seinem Tun von den Bedürfnissen der Patienten auszugehen. Seine Klinik wird zu einem Laboratorium für die Psychiatriereform in der Slowakei.