Ode an die Freude
Wenn der Quizonkel im Fernsehen bei der nächsten 16.000-Euro-Frage wissen will, wann und wo die deutscheste aller Oden in Japan erstmals aufgeführt wurde, dann sollte man besser die Geschichte vom „Paradies für Kriegsgefangen“ kennen. Oder den Telefonjoker wählen. Geld hin oder her, die Bando-Geschichte ist jedenfalls gut.
Eingezogen sind die 4.700 Deutschen 1914 ins Paradies möglicherweise ein wenig missmutig mit Verdis Gefangenenchor, das ist nicht belegt, aber als es 1919 heimwärts ging, da haben sie die Götterfunken krachen lassen. Niemand Geringeres sollte seine Tochter von Elysium herhalten, um den japanischen Gastgebern „Auf Wiedersehen“ und „Seid umschlungen“ entgegen zu schmettern, als die Herren Beethoven und Schiller persönlich. Und das kam so: Praktischerweise gleich im Jahre 1914 bat England das verbündete Japan um Geleitschutz für seine Schiffe vor Tsingtao auf der chinesischen Halbinsel Shangtung und Japan schickte den ca. 5.000 Deutschen, die den dortigen Stützpunkt zu verteidigen hatten, 30.000 japanische Soldaten auf den Hals. Als nach drei Monaten ca. 4.700 Gefangene gemacht wurden, begann für einige von ihnen die schönste Zeit ihres Lebens. Knapp 1.000 begannen im Kriegsgefangenenlager Bando bei Naruto, immer und jederzeit von der allgegenwärtigen Freundlichkeit japanischer Gesellschaftsnormen begleitet, den einheimischen Bauern die Herstellung von Butter aus Milch, von Käse, den Gebrauch von Zwiebeln oder Tomaten, sowie überhaupt die gesamte Landwirtschaft zu erklären. Und während die Landsleute in Europa und anderswo jämmerlich verrecken mussten und in Deutschland Hungersnot herrschte, tranken hier alle gierig an den Brüsten der Natur. Die japanische Lagerleitung baute extra Unterrichtsräume für die kultivierten Herren Gefangenen, damit sie dem gemeinen Bauern ein Höchstmaß an Wissen zukommen lassen konnten. Sie ließ die Deutschen Theater spielen, ihre eigene Lagerzeitung drucken und in einem fort musizieren. Naja, sicher nicht alle waren den ganzen Tag nur fröhlich und feuertrunken, und der Kulturaustausch war nicht nur gewinnbringend. Generalmajor Kurt Heinrich (Bruno Ganz) zum Beispiel beschließt bei Kriegsende und angesichts der deutschen Niederlage, die japanischste aller Traditionen zu suchen. Ein japanischer Soldat stirbt eher durch die eigene Hand, als dass er die Gefangenschaft akzeptiert. Andere Länder, andere Sitten. Oder das ist es eben, was die Mode streng teilt. Kurt Heinrich kennt nur einen Ausweg: Selbstmord. Ja, er will sich weinend aus diesem Bunde stehlen. Doch Lagerführer Toyohisa Matsue gelingt es, den gebrochenen Mann davon zu überzeugen, dass nur Heinrich in der Lage ist, seine Leute sicher in ihr Heimatland zurückzubringen. Und dann ist da ja noch Elysiums Tochter, und ihr Kuss gilt der ganzen Welt.
Buch: Motumu Furuta
Regie: Masanobu Deme
Darsteller: Bruno Ganz, Ken Matsudaira, Hiroshi Abe, Jun Kunimura, Oliver Bootz, Kostja Ullmann, Shinobu Nakayama, Etsuko Ichihara, Shiro Mifune, Hiroshi Katsuno, Ren Osugi
Kamera: Kazutami Hara
Musik: Shinichirô Ikebe
Produktion: Shinano Art & Culture Consultant, Michael Schwarz, Keita Senoo, Masatoshu Noguchi, Riuko Tominaga
Bundesstart: 12.07.2007
Start in Dresden: 12.07.2007