Once Upon a Time in Anatolia
Durch die stockfinstere Nacht Anatoliens rollen drei Autos auf der Suche nach einer vergrabenen Leiche. Ein Dutzend Polizisten bedrängen den geständigen Mörder immer wieder aufs Neue, er möge endlich den Acker, die Quelle und den Baum wieder erkennen, in dessen Nähe er ein paar Nächte zuvor jenen Mann namens Yasar verscharrt hat. Aber Kenan war zur Tatzeit betrunken, und so heißt es immer wieder Fehlanzeige und zurück auf die Straße. Wind kommt auf, ein Gewitter ist im Anmarsch, Autos springen nicht an - Wutausbrüche helfen hier genauso wenig wie planloses Stochern in dem spärlich von Scheinwerfern ausgeleuchteten Boden. Lange Zeit sieht der Zuschauer weder die eigene Hand vor Augen noch den Faden der Geschichte, welchen selbige bereits fest umklammert hält. Statt dessen erfährt man etwas über den Seitensprung des Staatsanwaltes und dessen fatale Folgen, über Joghurt-Zubereitung oder Prostatabeschwerden. Durch konsequentes Auslassen gängiger Erzählmuster lässt Regisseur Nuri Bilge Ceylan verblüffende Leerstellen zu und wirft somit etliche Fragen auf, deren Beantwortung über den Rahmen des Gezeigten hinausreichen. Fast klingt es paradox, aber so versorgt Ceylan den Zuschauer mit der dringend benötigten Empathie für seine Figuren, dieser Handvoll sauertöpfischer Männer, die sich fahrlässig um Kopf und Kragen schwatzen und beim Anblick einer anatolischen Jungfrau ehrfurchtsvoll verstummen. Weil sich Kenans Untat auch zum Ende hin nicht völlig erhellen wird; obschon die gesuchte Leiche noch auf dem Obduktionstisch des Arztes landet, bleiben vor allem fragende Gesichter und ungelöste Konflikte. Allen voran das des obduzierenden Arztes, der im geöffneten Brustkorb des Toten das Ende seiner vermeintlichen Allmacht erblickt. Aber mehr noch das verstörte Gesicht von Yasars Sohn, um dessen Vaterschaft der blutige Streit wohl ausbrach. Fraglos ein Meisterwerk!
Buch: Nuri Bilge Ceylan, Ebru Ceylan, Ercan Kesal
Regie: Nuri Bilge Ceylan
Darsteller: Muhammet Uzuner, Yilmaz Erdogan, Taner Birsel, Ahmet Mümtaz Taylan, Firat Tanis, Ercan Kesal, Erol Eraslan, Ugur Arslanoglu, Murat Kiliç
Kamera: Gökhan Tiryaki
Produktion: Zeynofilm, 2006, Zeynep Özbatur
Bundesstart: 19.01.2012
Start in Dresden: 16.02.2012
FSK: ab 12 Jahren